Vor ein paar Monaten entschieden sich Creed, sich aufzulösen. Was der Schock für so einige war, war für andere ein Grund eine Party zu feiern.

Das ist mittlerweile einige Zeit her - und während Scott Stapp sich jetzt seinem Glauben und seinen Sandalen widmet und einen Song für den Film "Die Passion Christi" geschrieben und eingesungen hat, hat Mark Tremonti zusammen mit Schlagzeuger Scott Phillips mal ein paar Kontakte spielen lassen. Dabei wurde der Ex-Creed-Bassist Brian Marshall wieder gefunden und von der Idee einer neuen Band überzeugt - und Myles Kennedy, langjähriger Freund der Tremonti-Brüder eingeladen.

Soviel dazu, nun wissen wir also, das wir 75% Creed-Besatzung in Alter Bridge haben. Und kaum hört man sich das Album an, merkt man doch sehr viel davon, wenn man die Vergleiche zieht.

Hört man sich das Album durch, wird man sich immer wieder eine Frage stellen: "Ist das tatsächlich ein neuer Sänger!?" Ja, ist es. Also bleiben nur 2 Schlüsse zu: Entweder hat Myles Kennedy mit Scott Stap sehr viel stimmliche Parallelen, oder der Musik/Geist der Rest der Band lässt nur diese Stimme zu und Myles versucht sich an Stap zu messen. Doch was Myles fehlt im Gegenzug zu Stap ist die Leidenschaft und der Glaube. Während Stap von nem abgehackten Fuß, Kindern oder ein noch so trockenes und verweinerlichtes Schlaflied singen kann, bei Stap hörte es sich bisher immer so an, als ob er das glaubt und zelebriert, was Tremonti ihm da geschrieben hat. Bei Kennedy ist das etwas anderes. Er bewegt sich immer wieder zwischen 2 Extremen und versucht sich selbst zu finden. Etwas, das ein langjähriger Sänger eigentlich schon wissen müsste. Kennedy klingt teilweise lustlos, dahin gefleddert und absolut aussenständig, während die Band im Hintergrund auf die Pauke haut.

Brian Marshall - der erste Bassist von Creed, der auf den ersten beiden Alben mitwirkte und erst beim letzten die Band verliess - ist auch wieder mit von der Partie. Denke ich an einige seiner Bassstücke, so freut es mich doch, ihn wieder zu hören. Auch wenn ich ihm wieder attestieren muss, das er seine Basskrankheit immer noch nicht ganz überwunden hat. Er hält sich öfter im Hintergrund als nötig ist, rupft aber diesmal endlich wieder kräftiger an den Saiten, was ihm nur gut tun kann.

Scott Phillips - ebenfalls Creed-Schlagzeuger der ersten Stunde und bis zur letzten Stunde - dagegen, zeigt doch etwas mehr was er kann. Er trommelt desöfteren fast wahllos vor sich hin, was zwar ein paar Songs aufgrund der zu starken Schlagzeugpräsenz ruiniert, aber wenigstens hat er Seine Angst überwunden, er könnte dem Schlagzeug weh tun, wenn er darauf rumhaut.

Kommen wir zu Mark Tremonti - Gitarrist und Mitbegründer von Creed, Hauptsongschreiber und Mit-Hauptgrund für die Auflösung von Creed - "endlich kann er mal spielen was er will!" Und da möchte ich doch schon fast schreiben - leider! Auch wenn Tremonti hier endlich mal zeigt was er kann, so ändert sich sein Grundschemata nie. Seine einzigen 2 Effekte bleiben weiterhin der Overdrive und das WahWah - was schade ist, denn so scheint der Kerl einen etwas beschränkten Horizont zu haben. Aber nehmens wir's ihm nicht krumm, er nutzt das mehr aus als er es je getan hat. Wilderes Spiel, Schnellere Soli - und so manchmal Stücke, die mich fast an Glam Rock oder Rock der 80/90er erinnert.

Im ersten Song des Albums, "Find the Real", wird es für so manchen sich sicherlich nach einer neuen Band anhören, doch hört man etwas genauer hin, so täuscht auch die Hitverträglichkeit dieses Songs nicht darüber hinweg.
Während Creed im Hintergrund ihr Ding durchziehen und damit harmonieren, wie es Musiker die lange Jahre zusammen gearbeitet haben auch tun sollte, hängt Kennedy irgendwo in der Ecke - so zieht sich das die nächsten Songs weiter durch und durch und durch...

Bis man zu einigen "Balladen" kommt, wie z.b. "Burn it down". Der etwas ungewöhnliche Titel täuscht, denn darunter verbirgt sich ein recht anständiger Song, der allerdings noch etwas Feinschliff gebraucht hätte. zum Teufel, nehmt Tremonti mal die Verzerrung aus der Hand!
"In Loving Memory" dagegen hat durchaus seine guten Qualitäten. Ein Song, den man im Auto hören kann, während man von sonst etwas träumt. Aber es wird wohl dennoch eine "beinahe-liebes-hymne" sein.

"Metalingus" erinnert schon fast an einen AC/DC Verschnitt - allerdings einen jämmerlichen. Dieser Song erinnert einen fast an das Metal früherer Jahre - hart, aber der Sänger singt so klar als hätte man ihn in frühen Jahren schon kastriert. Genauso geht es einem fast mit "Watch your Words" leider, will man schon fast sagen, auch wenn die spielerischen und gesanglichen Kompetenzen weit gefächert sind und hier präsentiert werden.

Der letzte Song - triftig "The End is here" benannt - ist dagegen ein Song, der so manchem Creed-Fan von Anfang an bekannt vorkommen wird. Das soll aber nicht zeigen, das er nicht qualitativ hochwertig ist - ganz im Gegenteil. Lässt man die Lückenfüller weg, ist das mit einer der besten Songs auf dem ganzen Album!

An sich ist das Album wirklich gut - das Tremonti-Wesen zieht sich zwar überdeutlich über das Cover, das Songwriting, den Bassläufen bis zu den Gitarren. Was ist nun eigentlich gut, möchte man da fragen? Die Band, denn die Zusammenarbeit harmoniert und selbst der Sänger hat mehr als genügend Platz, seine stimmlichen Eskapaden rauszulassen. Das ist das erste Album der neuen Besetzung - von Creed nicht ganz getrennt, doch etwas anderes. Sehen wir mal was weiter kommt, aber gegen eine Live Show habe ich bereits jetzt nichts einzuwenden.

Denn zwischen Auto, Motorrad-Tour oder simplem Freitag-Abend-Feierabend-Musik von hoher Qualität, hat das Album eigentlich alles zu bieten. Eigentlich!

Trotz allem und trotz der ganzen Creed-Vergleichen rate ich jedem, zuerst einmal mit offenen Ohren und ohne Vergleich an das Album heran zu treten, denn dann wird man sicherlich davon überzeigt sein, das Alter Bridge besser sind als es Creed je waren!

Alter Bridge sind:
Myles Kennedy - Vocals, Lead-Sänger, Gitarren
Mark Tremonti - Lead-Gitarrist, Vocals, Songwriter
Brian Marhall - Bass
Scott Phillips - Schlagzeug

Erscheinungsdatum: 27.07.2004
Label: Canada

Band-Homepage mit Hörbeispielen und Video zu "Open your Eyes":
www.alterbridge.com

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Gruß,
Dae:mon