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Thema: und: text

  1. #1

    39 Jahre alt
    aus senseiterin
    17 Beiträge seit 09/2004

    und: text

    die meisten texte habe ich bereits auf http://www.rosesandleaves.de veröffentlicht.. also da--> http://ral.snowcristals.net/showprofile.php?autid=436

  2. Nach oben    #2

    39 Jahre alt
    aus senseiterin
    17 Beiträge seit 09/2004

    Komische Tragik

    "du hast noch nie was humorvolles geschrieben."
    "stimmt, ich trau mich nicht."
    "du?!"
    da hatte er recht. dagegen musste ich was unternehmen, also humor.
    erste frage: was ist humor?
    ich denke an komedianten im fernsehen, an die witzseite in der zeitung, an
    cartoons und an mein leben und alles andere, was einer gewissen comik nicht
    entbehrt.
    aha, also stellen wir erstmal fest: das leben ist NICHT komisch.wenn dann
    höchstens tragisch-komisch und nicht als thematik zu gebrauchen.
    daraus folgt: wir müssen was erfinden.
    lustige situationen tuen ja meistens so, als seien sie im wahren leben
    geschrieben worden.
    so wie, "neulich als ich an der bushaltestelle stand, kam da ein polizist
    vorbei..." oder
    "als meine schwiegermutter mal wieder zu besuch kam..."
    alles schon gehört, alles schon gesehn.
    zweite frage: was sind die no-nos der komik?
    langweiliges natürlich, is ja klar, in stories muss was passiern, da kann nicht
    einfach jemand still in der bude hocken.
    und sachen, die unter die gürtellinie gehen, wie etwa ein erdbeben in afrika, ein zugunglück oder ein vulkanausbruch.
    dritte frage: wozu das eigentlich??!
    ich will nix komisches schreiben, das ist nicht lustig.
    ich schreibe lieber was dramatisches...das wird lustig.
    es ist sonntag, wie an 2/14 jeder woche.
    sonntage sind grässlich, sie fangen mit wohligem nichtstun an, steigern sich in gelangweiltes nichts tun und enden in gefrustetem nichtstun begleitet von dem unguten gefühl irgendwas verpasst zu haben.
    an diesem sonntag war es allerdings besonders schlimm, denn während ich sonst die flucht nach draussen zu ergreifen suche, oder zumindest irgend jemand auf den gedanken kommt, mich anzurufen, war heute mein sprit leer, der himmel voller wolken und mein telefon besonders schweigsam.
    ich saß also so rum und zählte die kleinen punkte an der decke. sie ließen sich nicht wirklich gut zählen, weil mindestens 3 davon noch lebten und ständig in andere ecken flogen.so verging der tag, und ich hoffte es würde einfach irgendwer mal anrufen, damit ich mir nicht mehr das
    "so meine damen und herren das war der neue song von popgirl tralala der daheisst so und so und ich finde...." radio eben. scheusslich, was den leuten aus dem mund kommt, wenn sich in ihrem hirn ein vakuum gebildet hat.
    da fällt mir ein, dass susi mal wieder anrufen könnte. wie kam ich jetzt gleich nochmal drauf? achso, vakuum. früher haben die leuten mythen weitererzählt, die davon handelten, wie jemand frösche spuckt oder bei seinem eigenen anblick zu stein erstarrt.
    heute haben wir talkshows. gott sei dank sehe ich die nicht, mangels besitz eines fernsehers. bin abgeschnitten von realität und raumzeitkontinuum.
    no news for me, mister. die welt könnte gerade untergehen und ich hätte kein rtl,sat,wdr,telenews dass mir davon die exclusivbilder ins haus trägt.
    so siehst aus, ja, wahrscheinlich explodiert gerade irgendein vulkan, der ganz bayern in glühender lavasiffe versiechen lässt und ich krieg nix mit.
    ich starre auf den vierten beweglichen punkt. war der vorhin schon da? Wieder was verpasst, hat jemand schon mal live gesehen, wie eine fliege aus reiner matrix entsteht?
    ich wende den blick ab, der punkt ist noch da. naja, vielleicht sollte ich die brille mal putzen. es ist vier, noch ca 10 stunden, bis ich müde genug sein werde um einzuschlafen, ich überlege kurz, ob ich nicht ein paar schulbücher aus der ecke holen soll, und vielleicht sogar aufschlage..
    aber so langweilig ist mir dann doch nicht.
    stattdessen beginne ich die kleinen hubbel von der hässlichen rauhfasertapete zu popeln, begutachte mein werk nach zehn minuten und stelle fest,dass die stelle ohne hubbel auch nicht grade besser als der rest.
    ich stelle eine theorie auf; du kannst sachen zwar verändern, dass heisst aber weder dass sie besser noch schlechter werden, nur halt anders.
    jetzt komme ich in fahrt und stelle auch noch die theorie von dem vulkan auf, der genau dann explodieren wird, wenn ich dass nächste mal mein mathebuch öffnen werde. verdammt, ich hab nich mal alkohol im haus, mit alkohol funktioniert philosophieren immer gut.
    Kaffee. 20 minuten später. kaffee getrunken. Na toll, jetzt bin ich wach. ich schaue mich um und mein blick fällt auf die gardinen, der gedanke,"müsste auch mal wieder gewaschen werden," taucht auf aber verschwindet schnell wieder, als ich sie zur seite schiebe und aus dem fenster in den grauen himmel schaue. DER müsste mal wieder gewaschen werden.
    immernoch ruft niemand an. NIEMAND! hab ich denn keine freunde? was wäre wenn ich jetzt auf der seife ausrutschen würde und mir das genick bräche? wie lange würde ich dann hier liegen? habe keine seife mehr da, fällt mir ein. notiz an mich: nur noch duschgel kaufen!
    moment mal, ein neuer gedanke schiebt sich vor die selbst erdachte todesanzeige
    (wir liebten sie aber verloren sie an ihren drang sich zu waschen) und fragt; warum nicht selbst jemanden anrufen?
    ich schaue auf die uhr, es ist 18,20. habe ich wirklich so lange gebraucht, um darauf zu kommen?
    naja kein wunder, ich war ja auch die ganze zeit beschäftigt.
    also...telefon. suchen. finden.
    eine weitere stunde vergeht damit dass akkugerät aufzutreiben, denn natürlich ist mein akku längst leer.
    deswegen auch keine anrufe. is doch logisch.
    endlich geht das telefon wieder, meine liebste verbindung zur aussenwelt in
    diesem moment.
    keine anrufe in abwesenheit, keine kurzmitteilungen erhalten.
    arrrggh
    egal, ok, wen rufe ich an?
    susi. eckhard. nils. thorsten. anrufbeantworter um anrufbeantworter hangele ich mich durch die liste.
    naja, da wären noch meine eltern, und norman, mein ex. nein. so tief sinke ich nicht, da reicht mein stolz noch.
    wie sähe das denn aus, bei den eltern deprimiert angekrochen zu kommen, weil man keine freunde hat?
    ich sehe wieder aus dem fenster, endlich dunkel. gutes zeichen. auf der uhr ist es halb neun. schlechtes zeichen.
    aber jetzt ist es mir auch egal. beruhigungstee muss her. warme socken,
    einwabernde musik, dann kann sogar eine 18 jährige um halb neun schlafen gehen. "wie erbärmlich," denkt ein kleiner rest teil von mir. ich stimme zu, mach das aber jetzt trotzdem.
    tatsächlich liege ich nur ca 130 weitere minuten wach, bis der schlaf doch über die langeweile siegt oder sich vielleicht mit ihr einigt.
    als das telefon klingelt ist es halb elf und ich schnell am hörer. meine
    schläfrigkeit ist wie weggeblasen.
    "hallo?" plärre ich ins telefon und merke dass meine stimme sich so aufgeregt anhört wie früher, als weihnachten kurz vor der tür stand.
    ich räusper mich und höre den anrufer seinen namen sagen, dann fragt er, "ist da helene?"
    ich bin enttäuscht und nicht helene, überlege aber kurz ob ich mir den
    umstand,dass er mich ja nicht sehen kann zu nutze machen soll und...aber nein. bin zu depressiv dafür. "nein, tut mir leid," sage ich mit grabesstimme und will auflegen in der gewissheit, dass dieser sonntag wohl bisher einer der schlechtesten seiner gattung war, da sagt der unbekannte schnell, "nein, bitte nicht auflegen. es ist mir auch egal, ob da helene ist, die ist wahrscheninlich eh nicht zu hause. sie war auch nur meine letzte reserve, meine ex.mein sonntag
    war so schrecklich langweilig."
    es gibt menschen, die die langeweile noch tiefer sinken lässt, als mich.

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    39 Jahre alt
    aus senseiterin
    17 Beiträge seit 09/2004

    beim arzt

    vorhin waren die enten noch rosa, jetzt haben sie einen babyblauen taint angenommen. das sind diese "wetterfühligen" dinger, die meine oma immer in der "modernen hausfrau" sieht, bestellt, auspackt und sich wundert, warum sie die nun eigentlich hat.
    jedenfalls muss wohl der luftdruck hier drinnen gefallen sein, denn vorhin waren sie eindeutig noch rosa.
    komisch, ich hab gar nix davon gemerkt, war viel zu sehr damit beschäftigt, grimmig zu schauen.
    in wartezimmern muss man das immer, besonders beim arzt, da ist es auch egal was für ein fachmann da nun grade besucht werden muss.
    man muss grimmig schauen, sonst denken die anderen noch, man sei zum spass da.
    "herr wilber, in zimmer drei," obwohl ich durch das gerausche kaum was verstehen kann, höre ich dennoch die falsche betonung heraus.
    es heisst filbér, mit der betonung auf der zweiten silbe, aber wozu soll ich das einer dummen sprechstunden hilfe erklären, ich hab wichtigeres zu tun.
    wie diese enten hat mein großer zeh in den letzten zwölf stunden seine farbe von sanftem rosé nach bläulich gewechselt, und zusätzlich tut er auch noch verdammt weh.
    ich gehe in zimmer drei. ein weisses zimmer, welche überraschung. ich finde, manchmal müssen arztpraxen schon fast markierband anbringen, damit man vor lauter weiss nicht gegen irgendeinen weissen tisch stösst, sich an einer weissen lampe den kopf anhaut oder über eine weisse liege stolpert. im nebenzimmer keucht jemand, es hört sich ganz anders an, als der laut den ich gestern von mir gab als ich mir meinen zeh stieß, in einer arztpraxis, die zwar auch weiss war, aber in der waren wenigstens noch ausgeschnittene Zeitungskartoons mit blöden, alten arztwitzen, mit denen man sich beschäftigen kann, während man wartet.
    Ich blicke mich weiter um, gelangweilt, wartend auf den Arzt. Der Schreibtisch (ich halte es für unnötig, seine Farbe zu erwähnen) ist übersäht mit kleinen Werbegeschenken, die sowohl dekotechnisch als auf funktionell nicht in geringster Weise einzuordnen sind. Werbegeschenke müssen so sein, damit man sie immer wieder anschaut und darüber nachdenkt, was sie darstellen und ob man sie zu mehr gebrauchen kann, als sie auf den Schreibtisch zu stellen. So wirkt der aufgeklebte , genähte, gravierte Firmenname psychologisch auf das Gehirn des Betrachters und vermittelt unterbewusst eine Marketing botschaft. Schliesslich stellt man das Objekt dann auf den Schreibtisch und es wird auch von den armen Patienten begutachtet, die nicht einmal wissen, was nun die Firma Ovilax, Tetragulb oder Subivol eigentlich vertritt, und damit auch die sublime Nachricht auch nicht aufnehmen. Nein, die Patienten sitzen nur da, starren das Objekt, das Unding an und in ihren Gehirnen schwimmen kleine Fragen, von "Was zum Henker wollte ich hier nochmal?" und "Sind die echt?" (natürlich gibts auch in diesem Zimmer plastikhaftes Grünzeug, das von den Regalen wächst, wenn die Antwort auf die Frage denn "ja" war, und nur so rumhängt, falls sie "nein" war) bis zu "gibt es einen gott?" und "ist der dann privatversichert?" reichen. 10 Euro gezahlt und dafür sitze ich hier rum. Ich komme mir vor wie ein nörgelnder Bürger und führe mir vor Augen, was ich alles machen könnte, säße ich nicht hier und wartete. zu hause wartet ein haufen kram, den es zu erledigen, fertig zu machen, zu vernichten gilt. puh, ich wäre vielleicht beschäftigt, ein gestresster... zivi. ok, zugegeben, da wäre ausser der dreckigen wäsche eh nicht viel, und die würde da auch noch weitere 3 tage stehen, so lange nämlich reichen meine socken noch. aber ich könnte zum beispiel mit jens super mario zocken oder mir gemütlich ein tütchen drehen.
    ausserdem sind 10euro für einen zivi viel geld, das sind 2gramm hasch, also bitte!
    Ich glaube, der Arzt hat mich vergessen, denn die Plastizol uhr zeigt an, dass ich schon seit 20 Minuten warte. Ich beginne mit sowohl dekorativem als auch nicht definiertem kleinkram auf dem schreibtisch rum zu spielen, bis irgendein kleines teil davon abbricht. aha, denke ich, zerbrechlich ist das zeug auch noch. wenigstens fällt nicht auf, dass es kaputt ist, es ist viel zu...weiss..dafür und tarnt sich prächtig in seiner umgebung. bedächtig beginne ich nun an meinen fingernägeln zu kauen, denke ein bisschen an meinen wehen fuß und bemitleide mich selbst, ganz doll.
    gerade als ich darüber nachdenke, ob die typischen gardinenplatten, die mir die sicht auf das graue großstadtpanorama versperren, kamellen oder lametta heissen, kommt ENDLICH der arzt. gekleidet in weiss, konnte er sich natürlich gut anschleichen, allein die brille sieht sehr technisch aus. bestimmt infrarotsicht, zur orientierung.
    ich rücke meinen stuhl zurecht, will nun das hauptobjekt seiner aufmerksamkeit sein, doch er setzt sich mir gegenüber, und mustert mich während eines laschen händedrucks von oben bis unten. er scheint an meiner solidarität zu vater staat zu zweifeln, denkt, ich will meine zeh blau machen, damit ich blau machen kann. das geht klar von seiner erhobenen augenbraue aus. "ja, warte du nur, bis du meinen zeh siehst, der ist ein musterbeispiel für zermatschte extremitäten," denke ich mir. dann focusiert er mich und fragt die frage auf die ich nun schon so lange gewartet habe:"WO fehlts denn?"
    wie aus der pistole geschossen kommt meine leidensgeschichte, gleichzeitig ziehe ich schuh und socke meines schmerzenden fusses aus und strecke ihm das pflaumenfarbige, schrumpelige etwas entgegen.
    "ahja," macht er und lehnt sich in seinem weissen ledersessel zurück um einen block aus der schublade zu ziehen. ich kann nicht lesen was er schreibt, muss eine mischung aus steno und sütterlin sein, elanvoll roppt er den zettel ab, schwingt ihn mir entgegen. "unten in der apotheke abholen,"krieg ich zu hören, dann wieder die feuchte patsche entgegen gestreckt und schneller als ich reinkam, bin ich schon wieder draussen. wollte ich nicht noch etwas anderes, hab ich auch nichts vergessen?
    schliesslich will ich so schnell nicht wieder kommen. aber bin viel zu überrumpelt, mir fällt nix ein. ich gehe zurück ins weisse wartezimmer, durch den weissen flur, grimmige menschen sitzen dort, und ich weiss was sie erwartet. aber ich bin frei zu gehen -das heisst humpeln- nach hause oder wo immer mein zeh mich zieht.
    bevor ich gehe stoße ich mir natürlich nochmal das knie am garderobenständer, der mir knallgelb und hinterhältig im weg steht, als ich mich beim rausgehen noch mal nach der vielleicht doch ganz hübschen sprechstundenhilfe umsehen will.

  4. Nach oben    #4

    39 Jahre alt
    aus senseiterin
    17 Beiträge seit 09/2004

    komplementär

    mittagschlaf, nacht durchgemacht
    spät am abend aufgewacht
    kaffee, kippen, alkohol
    zähne putzen und odol

    niemals fleisch und hühnerbrühe
    lederschuhe tod der Kühe
    teller artig aufgegessen
    licht ausmachen ganz vergessen

    demo gegen tiertransport
    ungeziefermassenmord
    keine chance den rassisten
    kein blickkontakt mit islamisten

    unicef kriegt jährlich spenden
    penner mit so leeren Händen
    greenpeace gegen wahlfang loben
    thunfisch kaufen, beifang robben

    konsequenz kann tödlich sein
    lass dich niemals darauf ein
    bleib so doppelmoralist
    du bist so, wie hier jeder ist.

  5. Nach oben    #5

    39 Jahre alt
    aus senseiterin
    17 Beiträge seit 09/2004

    aerosol

    aerosol
    überall.
    2 uhr morgens
    farbanfall

    in meiner lunge
    in meiner sicht
    ich kann nicht warten
    es geht einfach nicht

    verbunden mit
    schwarz und rot
    meine vernunft
    ist lange tot

    skizzen gleiten
    aus meinem wirren
    aerosol-kopf
    und verschmieren

    präzise exact
    auf ein weisses blatt,
    bis an die leere wand
    in der dunklen stadt

    ein kribbeln im nacken
    und adrenalin
    ein grün-weisser wagen
    weiss nicht, wer ich bin

    mit blauem licht
    auf dem dach der karre
    atemlose flucht
    oh, wie ich sie narre

    aerosol brennt
    in meiner lunge
    ein hoher zaun
    ein kleiner junge

    ich bin entkommen.
    vor mir alles still
    und eine wand
    kann kommen was will

    aerosol wieder
    so fühl ich mich wohl
    in der welt meiner bilder
    und der sucht nach aerosol.

  6. Nach oben    #6

    39 Jahre alt
    aus senseiterin
    17 Beiträge seit 09/2004

    gefühllos

    ich steige aus der dusche, das bad ist von feuchtem dampf erfüllt und die spiegel blind. mit dem handtuch wische ich das kondenswasser von ihnen ab.
    ich betrachte die dünne weisse linie, die sich von meiner schulter quer über meinen hals zieht.
    langsam fahre ich mit dem finger darüber und fühle das gewebe, dass es an dieser stelle gefühllos ist.
    für einen kurzen moment verwandelt sich das bad in eine schmale gasse und die reflektierung der lampe im spiegel in das fast schon dramatisierte blitzen eines messers.
    mein eigenes gesicht wird zu einem, das unter einer skimaske steckt. dann kehrt die wirklichkeit zurück.
    dort wo ich mit meinen fingern die vernarbung fühlen kann, ist das gewebe verwachsen.
    ich hänge mir einen bademantel über und lösche das licht. ich will das badezimmer verlassen, aber das bild taucht wieder auf, der mann, ich, das messer an meinem hals. der dünner schmerz, wie ein glühender draht.
    das gewebe ist dort jetzt unempfindlicher als am rest des halses, es hat sich dort verdickt.
    die dunkle strasse, ich begreife, dass das mein tod ist, wenn ich nicht kämpfe. adrenalin. auch ich habe plötzlich eine waffe. eine schreckschusspistole.
    ein weiterer rückschritt in der zeit; meine mutter; du musst dich wehren können, nimm die mit, wenn du da so alleine hingehst.
    der rückstoß ein ziehen in meiner hand, mein hals ist plötzlich wieder frei. der angreifer fällt nach hinten, als würde er nach unten gezogen. direkt in die hölle, denkt ein teil in mir.
    die ambulanz, polizei, sanitäter, sie haben glück gehabt mam. ich nicke, es schmerzt. ein teil von mir ist gefühllos.

  7. Nach oben    #7

    39 Jahre alt
    aus senseiterin
    17 Beiträge seit 09/2004
    ...achso... und kommentieren dürft ihr auch...

  8. Nach oben    #8

    38 Jahre alt
    10 Beiträge seit 11/2004
    das is gar nich schlecht

    der arzt und das gedicht danach sind meine favouriten

  9. Nach oben    #9

    39 Jahre alt
    aus senseiterin
    17 Beiträge seit 09/2004
    hey. der erste comment. yey, danke dir.

  10. Nach oben    #10

    38 Jahre alt
    10 Beiträge seit 11/2004
    siehste mal

  11. Nach oben    #11

    39 Jahre alt
    aus senseiterin
    17 Beiträge seit 09/2004

    zeit um zeit

    ich habe mal gelesen, dass der mensch, wenn er morgens aufsteigt, ein oder zwei zentimeter größer sein kann, als er abends ist. das kommt daher, dass sein komplettes gewicht während des ganzen tages auf seiner wirbelsäule lastet und der druck die bereiche zwischen den knochen ein winziges bisschen quetscht, so dass man wie eine ziehharmonika gepresst wird.
    hätte ich das nicht gelesen -ich weiss nicht einmal mehr wann oder wo- wäre es mir auch vielleicht nie aufgefallen. doch morgens sieht die welt etwas kleiner aus als abends.
    alles scheint zu wachsen oder man selbst zu schrumpfen, während die zeit langsam verstreicht und sich zwischen verkalkenden knochen und sterbenden gehirnzellen niederlässt, um zu beginnen, narben und erinnerungen -die ebenfalls narben sein können- auf die wuchernden gedanken und zellen zu legen. wie ein bildhauer oder maler formt die zeit unseren körper und geist, und jeder tag ist ihr ein neues werkzeug, ein neuer pinselstrich, ein neuer schlag auf unsere marmorne seele.
    zeit ist veränderung, ohne sie wären wir lebloser als jeder stein, denn nicht einmal verwitterung wandelte unsere gestalt.
    auch ist jedes ihrer werke, gar jede einzelne bewegung einzig und einmalig, denn sie wird so, hier, jetzt und uns nie wieder so widerfahren.
    doch was tun wir? wir warten.
    wir warten auf den bus, auf morgen, auf einen neuen menschen, auf das monatsende, um dann zu erreichen was wir wollten und uns eine neue warteschlange zu suchen, in der wir unsere geduld üben können.
    warum sollten wir aber geduldig sein?
    gibt es einen grund, nicht von einer sekunde auf die andere zu leben? einen grund nicht JEDEN verstreichenden moment zu feiern und zu genießen während er vor uns schwebt, gerade noch da ist und schon wieder erinnerung?
    es heisst, der mensch habe uhren erfunden um die zeit einzuteilen, doch wozu? um sie in kleinen schlücken zu nippen und ja nicht ihren vollen berauschenden geschmack zu erfahren?
    um sie zu bändigen, als sei sie eine meute fledermäuse, deren energie gemeinsam zu mächtig ist um von menschen gebändigt zu werden?
    nein.
    die zeit ist eine droge und der mensch teilt sie sich in dosis um dosis ein, und doch wird er die sucht nicht loswerden. er wird nicht ohne zeit ohne uhr ohne kalender leben wollen.
    geteilte zeit ist wie gespaltene energie. nur noch halb so gefährlich aber auch nur noch zur halben leistung fähig.
    wenn wir bereit sind, die zeit in uns aufzunehmen, wie sie kommt, sie nicht in terminplaner kästchen und zwischen winkelstrichen einer uhr einzusperren, so erfahren wir vielleicht ihre volle größe, so wie wir unsere eigene größe erfahren könnten, wenn wir morgens nicht noch so müde wären, weil uns die eingeteilte zeit schon so früh aus träumen in die hetzende realität geschickt hätte.
    und wenn wir abends müde zu bett gehen, fühlen wir uns kleiner und älter als noch zeit um zeit davor.

  12. Nach oben    #12

    38 Jahre alt
    10 Beiträge seit 11/2004
    Ein altes Thema Aber schön geschrieben.

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