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Thema: Und plötzlich war sie mir fremd...

  1. #1

    Und plötzlich war sie mir fremd...

    Meine Mutter war für mich meine beste Freundin, ich hab ihr alles erzählt. Egal ob es um den schönen Jungen aus meiner Klasse ging oder um die erste Periode. Meine Mutter wusste alles. Doch irgendwann kam dieser Bruch, weil ich nicht mehr das kleine naive Mädchen war, das zu allem Ja und Amen gesagt hat. Plötzlich war ich selbstbewusst genug um mir nicht jeden Tag einreden zu lassen, dass ich an allem Schuld wäre. Sie kann es einfach nicht ertragen, dass ich mir nicht mehr eine Meinung aufzwängen lasse, sondern eigenständig denken und fühlen und das vor allem ihr gegenüber ausdrücken kann.
    Ich weiß nicht, ob es vielleicht der falsche Weg ist ihr gegenüber zu rebellieren. Denn es ist anstrengend und es zerrt an den Nerven mit einer Person zusammen zu leben, die man noch nicht mal richtig mögen kann, weil sie ständig versucht, einen zu unterdrücken. Denn sie weiß ja genau was gut für mich ist.
    Ausziehen wäre die eleganteste Möglichkeit. Wenn wir eine gewisse Distanz zueinander gewinnen, könnte es sogar sein, dass wir uns wieder näher kommen. Hört sich etwas paradox an, aber wenn sie sich nicht mehr so dermaßen in mein Leben einmischen kann, vielleicht werde ich wieder lernen können, sie zu akzeptieren. Und wenn nicht, was soll’s? Jedenfalls wäre es einfacher, endlich auf eigenen Beinen zu stehen. Doch ich kann es mir einfach noch nicht leisten.
    Jeden Tag steh ich auf und versuche ihr bestmöglich aus dem Weg zu gehen. Aber wenn ich dann doch aus Versehen mit ihr ins Gespräch komme, hält sie mir vor, wie verkorkst mein Leben doch ist, dass meine Freunde mir wichtiger sind als meine Familie. Ach ja, und ich bin nie zu Hause, weil ich vor meinen Problemen davonlaufen und mich am besten jeden Abend zuschütten will. Falsch! Ich laufe vor ihr davon, weil ich keine Lust habe in ihr vorwurfsvolles Gesicht zu sehen.
    Dabei ist sie diejenige, die mit 19 ein Kind bekommen hat. Als dann das Zweite 8 Jahre später folgte, kam sie plötzlich auf die Idee, ihre Jugend versäumt zu haben. Tja, und ich konnte in meinem zarten Alter auf meine kleine Schwester aufpassen, in einem großen Haus, in dem ich mich immer gegruselt habe, während sie von einer Party zur anderen gehüpft ist. Ich hatte gar keine Zeit mehr Kind zu sein, denn ich musste für meine Schwester da sein und sie beschützen, wie ich damals dachte.
    Ich bildete mir ein, meine Mutter wäre anders als alle anderen. So jung geblieben, so modern gekleidet, eine selbstbewusste, offenherzige Frau. Doch ich habe endlich gemerkt, dass ich die ganze Zeit nur eine Wunschvorstellung hatte, an der ich mich hochgezogen habe, obwohl ich die schon gemerkt habe, dass irgendwas nicht stimmt. In Wirklichkeit ist meine Mutter eine verbitterte Frau, die ihre Launen an ihren Kindern auslässt und sich über nichts mehr Gedanken macht, als um sich selbst. Andere Meinungen kann sie einfach nicht akzeptieren, denn sie sind von Grund aus falsch. Sie versucht Menschen zu manipulieren und zu formen, denn sie will das große Vorbild sein. Aber eigentlich ist sie ganz ganz klein…

  2. Nach oben    #2

    40 Jahre alt
    aus tralisches Outback
    756 Beiträge seit 03/2001
    Schön geschrieben und ziemlich traurig was aus alle dem was damals war geworden ist.
    Leider kenne ich sowas zu gut

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