Ich saß, wie jeden Dienstagmittag, mal wieder in der Bahn dich mich in mein Zuhause brachte. Wie aus Reflex hob ich den Kopf als die Bahn anhielt und wieder andere Leute einsteigen. Ich schaute auf die Tafel, auf der angezeigt wurde, an welcher Haltestelle wir gerade standen. Trotz der immer noch warmen Temperaturen, fast 28 Grad, und das im September, fror ich auf einmal.Abrupt schaute ich wieder aus dem Fenster, und dreht meine Musik lauter. Fahr weiter, bitte fahr weiter, betete ich leise vor mich hin, da, das piepsen, das ankündigte, dass die Türen geschlossen wurden, ein arm tauchte wie aus dem nichts auf, blockierte die Tür und fünf junge Leute sprangen gerade noch in letzter Minute hinein. Ich hatte zwar keinen laut gehört, schließlich war meine Musik so laut, dass sich die Leute, die neben mir saßen, böse umschauten, doch es war, als würden alle meine Befürchtungen war werden. Diese kleine Gruppe, Lene, Marc, Johannes, Phillip und Laura, ich kannte sie nur zu gut, schließlich war ich auch mal eine von ihnen gewesen, damals. Es schien mir, als wäre es eine ewig keit her, als wäre all das, was damals geschehen war, eine Ewigkeit her. Doch in Wirklichkeit, waren seit jenem Tag, erst einige Wochen vergangen, einige Wochen, die ich aus dem Krankenhaus entlassen wurde, einige Wochen, die ich nun schon in meinem neuen zuhause lebte. So in Gedanken versunken, merkte ich kaum, dass die fünf mich gesehen hatten und immer näher kamen. Auf einmal schwitzte ich, was sollte ich bloß tun? Ich konnte nichts tun, ich konnte das einfach nicht, nicht mehr, nicht, nachdem was geschehen war. Da, mein Haltestelle, ich sprang auf, und stürzte als erste aus der Tür. Ich sah ihre verblüfften Gesichter, doch das war mir nun egal, ich war der Unterhaltung entronnen, ich hatte das, was eigentlich irgendwann geschehen musste, noch einmal verhindert, mit einem überstürzten Aufbruch, der an Flucht erinnerte. Irgendwann muss ich sie Widertreffen, ich kann das nicht ewig vor mir herschieben, all das war mir zwar bewusst, doch ich hatte Angst davor. Konnte ich das jetzt schon? Ich hatte erwartet, dass alles hinter mir gelassen zu haben, doch jetzt, wo mir praktisch meine Vergangenheit begegnete…. Ich kann es einfach nicht, murmelte ich halb laut vor mich hin. Schon stand ich vor unserer Haustür, ich war jedes Mal wieder erstaunt, wie hübsch es hier doch war, in solch einem hübschen Haus hatte ich bisher noch nie gewohnt, und das will was heißen, schließlich habe ich schon so etwa überall gewohnt, aber nein, daran wollte ich jetzt nicht denken, das war Vergangenheit. Ich schloss die Tür auf, ja, ich hatte zum ersten Mal in meinem Leben einen eigenen Schlüssel, und lief als erstes Gabi über den weg. Hallo mein Schatz, wie geht es dir? War irgendetwas in der Schule? Hast du Hunger? Das essen ist in einer halben stunde fertig. Ja danke, alles ok, ich komme dann in einer halben stunde runter. Ist gut mein schatz, ich ruf dich dann. Ich ging die Treppe hinauf, zu meinem, meinem ersten eigenen Zimmer und schloss die Tür leise hinter mir. Ich wunderte mich immer noch darüber, wie herzlich in diesem Haus doch alles war. Für andere mochte es normal sein, dass sie, wenn sie nach der schule nach Hause kamen, zuerst gefragt werden, wie es ihnen geht, wie der tag war. Und so weiter. Doch für mich, für mich war das alles neu, und ich hatte mich nach den Wochen immer noch nicht dran gewöhnt.
Am nächsten Tag, als ich um die gleiche Zeit wieder in der Bahn saß, hatte ich die Begegnung vom Vortag schon fast wieder vergessen, als die fünf auf einmal vor mir standen. Ich erstarrte, es schien, als wäre es gestern gewesen, und doch war es schon so lange her, dass ich mich kaum noch dran erinnerte, wessen Idee es gewesen war, wessen Idee mich fast… nein, ich wollte nicht daran denken, dass war Vergangenheit.
Ach, dich sieht man auch mal wieder? Wir haben gehört, du wohnst jetzt in solch einem schicken haus im besseren viertel. Marc, wer auch sonst. Was sollte ich darauf antworten? Konnte ich ihnen verzeihe4n? Gab es überhaupt etwas zu verzeihen? Was sollte ich bloß denken.
Selbst wenn du jetzt in diesem nobel Birtel wohnst, du kannst dich nicht ewig vor uns verstecken, du gehörst zu uns, dass weißt du, du passt nicht in eine geordnete Familie, das weißt du doch. Wir waren seit jeher deine Freunde.
Ich war wie erstarrt, doch auf einmal brach all meine falsche Gelassenheit in sich zusammen. Tolle Freunde wart ihr, ja wirklich, ich will nichts mehr mit euch zu tun haben, ihr ward es, ihr seid schuld an allem, es war eure Idee, eure Idee hat das alles bewirkt, und dann ward ihr zu feige irgendetwas zu tun. Wenn ihr dass Freundschaft nennt, dann kann ich gut drauf verzichten.
Ach? Das Fräulein hält ich also bereits für etwas Besseres? Wie kommst du auf die Idee, dass die Familie, bei der du jetzt lebst, dich wirklich mag? Dass sie solch eine gestörte wie dich, nicht nur bei sich aufgenommen haben, weil sie ihnen Leid tat? So ist das nicht, diese Leute sind wirklich nett, sie mögen mich. Lachen drang mir entgegen, kaum hatte ich diese Worte ausgesprochen. Das glaubst du doch nicht wirklich? Man sollte meinen, langsam wüsstest du, wie der Hase läuft. Sie lieben mich, sie mögen mich, ich habe ein zuhause gefunden, dort gehöre ich jetzt hin, es klang selbst in meinen Ohren verzweifelt, denn, wusste ich denn wirklich, dass dem so ist? War es vielleicht wirklich nur mitleid mit mir, dass sie dazu bewog, mich bei sich in ihrem tollen Haus aufzunehmen? Nein, das konnte nicht sein, dass durfte nicht sein. Laut sagte ich, Nein, ich gehöre dort hin, lasst mich in Ruhe, ich bin nicht mehr eine von euch. Marc schaute mich verärgert an. Erinnere dich mal, was wir alles für dich getan haben, wo wärst du jetzt ohne uns? Du hättest dich, ohne uns, wohl schon lange umgebracht, sieh der Wahrheit ins Gesicht, du bist eine von uns, hier gehörst du her.
Da, meine Haltestelle, die Rettung, ich nahm alles wie in Zeitlupe war, ich öffnete die Tür, die fünf riefen mir irgendetwas hinterher, und ich ging langsam und wie in einen dicken Nebel gehüllt, nach Hause. Zuhause, war es wirklich mein Zuhause? Die Gedanken ließen mich nicht in Ruhe. Alles verlief wie immer, Gabi stellte die gleichen Fragen wie immer, auch die beiden kleinen, Tobhi und Nico waren fröhlich und ausgelassen. Auf einmal wirkte das alles auf mich, alles dass, was ich früher dankbar entgegen genommen hatte und mich daran erfreut hatte, al das wirkte auf einmal inszeniert und gekünstelt auf mich. Ich sprang auf, murmelte eine Entschuldigung und ging auf mein Zimmer.
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