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Thema: Quarum labor spiritum exhaurit...

  1. #1
    vip:oxy Avatar von Overkill
    aus over:kill wird killy der scape:goat
    6.727 Beiträge seit 12/2001
    Danke
    2

    Quarum labor spiritum exhaurit...

    ... gesammelte Werke.

    Mir is grad darnach.

    Arachnophobie II (April 2004)
    Am Faden hängt sie dort, ganz unbemerkt und leis
    Zappelnd, tastend, fühlend lässt sie sich bald hernieder
    Die Beine suchen Halt, vom Boden bald erwidert
    Sodann geht sie nach vorn, links, rechts und auch im Kreis

    Mein Aug' erblickt sie schnell, noch schneller wird mir heiß
    Schreiend, zitternd, ängstlich, mir beben alle Glieder
    Sie geht nun auf mich zu, und stoppt und geht bald wieder
    Fixiert durch meinen Blick, doch immernoch ganz leis

    Sie ist sich nicht bewusst, wie groß die Angst doch ist
    Und das, obwohl sie nur Kleinvieh wie Fliegen frisst
    Doch ich bin starr wie Stein, beherrsche mich mit Not

    Der Spuk ist bald vorbei, so viel ist schon gewiss
    Man lacht mich vielleicht aus, weil sie so winzig ist
    Doch hab ich keine Wahl, ich schlag' die Spinne tot

  2. Nach oben    #2
    addicted
    oxy:gast
    herrlich. einfach nur besonders und ausserordentlich gut.
    schade um die gute spinne.

  3. Nach oben    #3

    38 Jahre alt
    aus dem Web 2.0 verängstigt und geschockt zurück
    1.145 Beiträge seit 10/2005
    ein Sonett, sehr fein.

  4. Nach oben    #4
    vip:oxy Avatar von Overkill
    aus over:kill wird killy der scape:goat
    6.727 Beiträge seit 12/2001
    Danke
    2
    danke

    Abiturvorbereitung Mathematik (April 2004)
    Ich lerne hier Mathematik,
    Auf die Uhr wandert ständig mein Blick
    Und ich rechne behende,
    Doch es nimmt gar kein Ende,
    Denn die Zeit wandert scheinbar zurück

    Ach wär' es doch endlich so weit,
    Doch so grausam sie ist, diese Zeit,
    Ich weiß hinterher mehr,
    Das ist niemals verkehrt,
    Und zum Abi bin ich dann bereit

    Doch nun lerne ich weiter,
    Das wär' wohl gescheiter,
    Denn im Grund' hab' ich doch keine Zeit

  5. Nach oben    #5
    addicted
    oxy:gast
    nicht ganz so gut wie das erste, gefällt aber trotzdem. ich möchte viel VIEL mehr von dir lesen.

    > für mich als nicht-lateiner: was bedeutet das topic?

  6. Nach oben    #6
    vip:oxy Avatar von Overkill
    aus over:kill wird killy der scape:goat
    6.727 Beiträge seit 12/2001
    Danke
    2
    Zitat Zitat von addicted
    > für mich als nicht-lateiner: was bedeutet das topic?
    "deren arbeit den geist erschöpft..."

  7. Nach oben    #7
    vip:oxy Avatar von Overkill
    aus over:kill wird killy der scape:goat
    6.727 Beiträge seit 12/2001
    Danke
    2
    De Monte Magica (irgendwann im Frühjahr 2003)
    Vom Berg erzähl' ich nun gar seltsam' Historie:
    Wo Venus wohnt und haust, verzaubert jeden Knaben,
    Ihn blendet und verführt, an seiner Lust sich labend,
    Und ins Verderben stürzt durch böse Blasphemie.

    Ein Mann ins Dorfe kam, von kräftiger Statur.
    Er saß auf seinem Ross, froh in den Himmel singend,
    Mit blonder Lockenpracht und die Gitarre klingend.
    Da er am Berge war, erblickt' er die Figur.

    Alsbald das Bild erwacht, umgarnt den jungen Mann,
    So dass der holde Knab' nicht widerstehen kann:
    Die Göttin hielt ihn fest und ließ ihn nicht mehr geh'n.

    Obwohl doch fromm er war, vom Glauben ab er kam,
    Und keiner weiß bis heut', wohin ihn Venus nahm,
    So ward der junge Mann bald nimmermehr geseh'n.


    [Anm.: War ursprünglich eine Hausaufgabe zur Lektüre "Das Marmorbild" von Eichendorff. Man sollte das Pygmalion-Motiv entweder in Gedichtform oder in einer Kriminalgeschichte behandeln. Kommentar einiger Mitschüler: "Das reimt sich ja garnet."]

  8. Nach oben    #8
    addicted
    oxy:gast
    daumen hoch. sehr gut, overkill. du hast talent.

  9. Nach oben    #9

    38 Jahre alt
    aus dem Web 2.0 verängstigt und geschockt zurück
    1.145 Beiträge seit 10/2005
    Zitat Zitat von Overkill
    De Monte Magica (irgendwann im Frühjahr 2003)
    [Anm.: War ursprünglich eine Hausaufgabe zur Lektüre "Das Marmorbild" von Eichendorff. Man sollte das Pygmalion-Motiv entweder in Gedichtform oder in einer Kriminalgeschichte behandeln. Kommentar einiger Mitschüler: "Das reimt sich ja garnet."]
    Tja, Overkill, wir leben nunmal alle unter dem gleichen Himmel, jedoch haben nicht alle den gleichen Horizont.


  10. Nach oben    #10
    vip:oxy Avatar von Overkill
    aus over:kill wird killy der scape:goat
    6.727 Beiträge seit 12/2001
    Danke
    2
    Poetik (April 2004)
    Die intuitivste Gedichtform
    ist wohl das gemeine Volkslied,
    das würde dann auch erklären,
    warum 's davon so viele gibt.

    Man hat es ganz leicht mit dem Reimen,
    das Versmaß ist wohl noch viel leichter,
    doch, ich sag's hier ganz im Geheimen,
    vom Inhalt her wird's immer seichter.

    Das ist denn wohl auch der Grund,
    warum ich mich immer geweigert,
    ein Volkslied zu schreiben - und
    sich meine Abneigung noch steigert.

    Es musste 'was Besseres her,
    dacht' ich mir und suchte herum,
    da kam, von nicht ganz ungefähr,
    das Sonett, und das war gar nicht dumm.

    Im Volksmund auch Alexandriner
    genannt und, das machte mir Spaß,
    es war für lyrîsche Gewinner,
    weshalb ich das Volkslied vergaß.

    Zwei Quartette mit umfass'nden Reimen,
    zwei Terzette noch obendrein,
    das, so sag ich hier im Geheimen,
    ist durchaus und gänzlich ganz fein.

    Aber auch dem begabtesten Dichter,
    und das denke ich, gilt allgemein,
    wird der Wortschatz von Mal zu Mal lichter,
    darum muss auch 'mal Abwechslung sein.

    So pausierte ich mit den Sonetten
    und ich suchte nach weiteren Wegen,
    meine Worte in Lyrik zu betten,
    drum kam mir eine Form ganz gelegen:

    Sie hört sich nicht an wie Poetik,
    sondern vielmehr wie dürftige Epik,
    doch durch Hakenstil und off'ne Form
    hat sie so gut wie keine Norm.

    So schrieb ich unlyrische Lyrik,
    unpoetische Poesie,
    und sah, sie war intuitiver
    als das gemeine Volkslied.

    Man kann dichten, fernab von Reimen,
    und das Versmaß ist auch ganz egal,
    und das, so sag ich im Geheimen,
    ist doch des Dichters Regal.

    Da hatt' ich nun endlich gefunden,
    was ich schon so lange gesucht,
    doch nach langen poetischen Stunden
    hatt' ich auch 'mal davon genug.

    Nun zog in der Lyrik ich weiter,
    und fand noch eine Disziplin,
    fünf-sieben-fünf Silben, nichts weiter,
    so schmettert man Haikus dahin.

    Doch drei Zeilen sind nicht so der Renner,
    das war mir ganz schnell schon klar,
    und so war kein vernünftiger Nenner
    zwischen mir und den Haikus da.

    Aber gänzlich und ganz sie verlassen,
    ich gebs zu, das wollte ich nicht,
    denn auch Haikus haben ihre Klasse,
    so erfand ich mein eig'nes Gedicht:

    Es war den Sonetten ganz ähnlich,
    doch man sah auf den ersten Blick,
    dass 'was Neues gefunden war, nämlich
    die Gedichtform des Limerick.

    Statt den Quartetten sollten Fünfzeiler,
    statt den Terzetten Haikus steh'n,
    doch beim ersten Versuch schon erkannt' ich,
    die Gedichtform kann so nicht geh'n.

    Deshalb sucht' ich, und such' ich noch weiter,
    die Gedichtform, die mir wohl entspricht,
    und ich schreibe mal traurig, mal heiter,
    doch ein Volkslied, das schreibe ich nicht.

    Nun ist's doch ein Volkslied geworden,
    und es stand, so gebe ich zu,
    in meiner verfass'rischen Absicht,
    und das Ende macht dieser Haiku:

    Schiller und Goethe -
    überinterpretierte
    Meister ihres Fachs


    [Anm.: Geschrieben, während ich mich auf das Mathe-Abi vorbereitet hab.]

  11. Nach oben    #11

    34 Jahre alt
    aus irgend welchen gründen fällt mir nichts ein -.-
    483 Beiträge seit 12/2005
    Overkill hat wirklich Talent!

    Respekt!!

  12. Nach oben    #12
    melody
    oxy:gast
    sehr gut.
    mir gefällt dein umgang mit sprache
    endlich mal net so gefühls-überschwänglich-leidende gedichte, sondern mit feinsinn!

  13. Nach oben    #13
    vip:oxy Avatar von Overkill
    aus over:kill wird killy der scape:goat
    6.727 Beiträge seit 12/2001
    Danke
    2
    dann sag ich mal vielen dank

  14. Nach oben    #14
    vip:oxy Avatar von Overkill
    aus over:kill wird killy der scape:goat
    6.727 Beiträge seit 12/2001
    Danke
    2
    Der moderne Prometheus (April 2004)
    Nun schreib' geschwind den Bogen voll,
    Und lese Deinen Goethe,
    Dem Knaben gleich,
    Im Unterricht,
    Der Lessing lernt und
    Schillers Wilhelm Tell!
    Musst mir meine Feder
    Doch lassen wandern,
    Und meine Lyrik,
    Die Du nicht geschrieben,
    Und meinen Geist,
    Um dessen Glut
    Du mich beneidest.

    Ich kenne nichts Schlimmer's
    In der Welt als euch Kritiker.
    Ihr sprechet kümmerlich
    Von Kunst und Tiefgang,
    Aussage und Wert,
    Eure 'Majestät',
    Und wäret stumm, wären
    Nicht Lehrer und Professoren
    Hoffnungsvolle Toren.

    Da ich Schüler war,
    Nicht wusste, wo aus, wo ein,
    Führte man mein Aug'
    Zu Euch, als wenn ihr wäret
    Der Strang, zu führen meinen Geist,
    Zu leiten meine Gedanken,
    Sich des Gelehrigen zu erbarmen.

    Wer kennt den wahren
    Sinn der Lyrik?
    Wer hat die Weisheit gefressen,
    Mit dem Löffel der Erkenntnis
    Über 'Gut' und 'Schlecht'?
    Hast du nicht letzlich d'rüber zu entscheiden,
    Heilig glühend' Herz?

    Ich Euch achten? Wozu?
    Hast du die Botschaft verstanden
    Je des Dichters?
    Hast du die Fülle erkannt
    Je des Tiefgangs?

    Hat nicht mir die Augen dafür geöffnet
    Das klar sehende Herz
    Und der denkende Geist,
    Meine Herren und Deine?

    Dünktest Du etwa,
    Ich solle Gedichte hassen
    Und sie verschmäh'n,
    Weil Du ihres Pudels
    Wahren Kerne nicht erkanntest?

    Hier sitz' ich, schreib' Gedichte
    Nach meinem Geiste,
    Eine Botschaft, die mir entspräche,
    Zu singen, weinen,
    Klagen und freundlich sein,
    Und Dein nicht zu achten.
    Wie ich.


    [Anm.: Hab ich hier, so glaube ich, zu wissen, schon einmal veröffentlicht. Ebenfalls während der Vorbereitung zum Mathe-Abi verfasst.]

  15. Nach oben    #15
    Ich finde das sehr langweilig, den "alten" Prometheus ein bisschen (wenn auch entscheidend) zu verändern und ihn dann den "modernen" zu nennen.


    "Wer hat die Weisheit gefressen,
    Mit dem Löffel der Erkenntnis
    Über 'Gut' und 'Schlecht'?
    Hast du nicht letzlich d'rüber zu entscheiden,
    Heilig glühend' Herz?"

    Wer sowas schreibt, ist natürlich immer auf der sicheren Seite.
    Ich frage mich, warum du so über den Tiefgang der Gedichte schreibst. Bist du nicht der Ansicht, dass man ein Gedicht mit Tiefgang untersuchen und dabei herausfinden kann, warum es so gut/schön/tiefgehend/wasauchimmer ist?

  16. Nach oben    #16
    vip:oxy Avatar von Overkill
    aus over:kill wird killy der scape:goat
    6.727 Beiträge seit 12/2001
    Danke
    2
    Na das ist mal ne Antwort nach meinem Geschmack.

    Der Grund für die Namensgebung, warum ich dieses Gedicht den "modernen" Prometheus genannt habe, liegt nicht darin, dass ich hiermit vollkommen neue Verse geschaffen habe, die dazu fähig sind, die lyrische Welt auf immer zu prägen, sondern vielmehr darin, dass ich den "alten" Prometheus mit seiner Thematik auf modernere Zeiten adaptiert habe. Heute schlägt man sich (als Schüler, was ich zum damaligen Zeitpunkt war) nicht mehr mit absolutistischen Fürsten oder Göttern (schließlich geht es oberflächlich im Prometheus ja um den Konflikt mit Zeus) herum, sondern eben mit sog. Kritikern, Lehrern oder Professoren, welche die lyrische Arbeit mancher Leute, die nicht Goethe oder Schiller heißen, geringschätzen, weil sie eben keinen solchen Namen haben.

    Die von dir zitierte Strophe fasst es ja auch irgendwo zusammen. Du magst recht haben, dass man damit immer auf der sicheren Seite steht; aber ich frage dich: ist Tiefgang denn nicht etwas zutiefst subjektives? Kann man allgemeingültige Aussagen treffen, die dem einen Dichter einen unerreichten Tiefgang bescheinigen, während man einen anderen Dichter nur müde belächelt ob seiner scheinbar zaghaften versuche, an die größen Köpfe heranzureichen? Ich glaube nicht. Darum geht es im "modernen Prometheus". Natürlich kann man ein Gedicht auf Tiefgang hin untersuchen, natürlich kann man diese Untersuchung festhalten und anderen mitteilen. Was man allerdings, vor allem im Bereich der Lyrik, niemals tun sollte, ist, die eigenen Ergebnisse als allgemeingültige Tatsachen zu verkaufen, da gerade die Interpretation von Dichtung zutiefst subjektiv und alles andere als allgemeingültig ist.

  17. Nach oben    #17
    Ja, Tiefgang ist sehr subjektiv. Das habe ich auch aus deinem Gedicht so verstanden und ich sehe es selbst so. Aber dennoch glaube ich, dass man meist zwischen einem guten und einem schlechten Gedicht unterscheiden kann.
    Natürlich auch irgendwie anmaßend, weil die eigene Meinung ja nicht das Nonplusultra ist, das stimmt natürlich.

  18. Nach oben    #18
    vip:oxy Avatar von Overkill
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    6.727 Beiträge seit 12/2001
    Danke
    2
    natürlich kann man für sich persönlich zwischen guten und schlechten gedichten unterscheiden. wenn man aber in der schule gelehrt bekommt, jene gedichte seien gut, andere hingegen schlecht, oder, noch krasser, die eine interpretation sei richtig, die andere hingegen falsch, geht das imho zu weit. genau aus diesem motiv heraus hab ich ja das geschrieben. ein krasser fall war z.b. bei mir im deutschkurs, als meine lehrerin verkündete, nach jahrelangem ringen innerhalb der expertenrunde (wer genau diese runde ist, weiß ich aber bis heute nicht) habe man sich dazu entschlossen, auch andere interpretationen eines stoffes (ich glaube es war irgendwas von kafka) als die im schulbuch als richtig bzw. teilweise richtig bzw. nicht gänzlich falsch anzusehen. das hat mich dann doch sehr aufhorchen lassen.

  19. Nach oben    #19
    Schon klar, was du meinst. Da kann man dir nur Recht geben.

  20. Nach oben    #20
    vip:oxy Avatar von Overkill
    aus over:kill wird killy der scape:goat
    6.727 Beiträge seit 12/2001
    Danke
    2
    Wäre es möglich, dass ich selbst zum Affentreiber avancierte? (Januar 2006)
    Gelassen fällt das Wort, mit immerstummen Schreien;
    Geballt die blanke Faust, bereit zu jedem Schlag;
    Die Rache duftet süß, vermengt mit Weh und Klag'
    Droht sie sich aufzubläh'n, um nimmer zu verzeihen.

    Der Atem stockt, das Herz, es droht, das auszuspeien,
    Was lange schon versteckt der stille Geist verbarg;
    Im stillen Kämmerlein, zur Frist auf Jahr und Tag,
    Verwehrt der hohe Mut der Gunst, wohl zu gedeihen.

    Ob man's nun ist, ob nicht, vermag man nicht zu sehen;
    Getrübt das scharfe Aug', geschunden von den Wehen;
    Mit stummer Eitelkeit sucht man das große Licht.

    Ob man's vermag, ob nicht, ist leicht kaum zu verstehen;
    Mit immerscharfem Wort versucht man, zu verdrehen,
    Was man zu wissen glaubt - so lange, bis man bricht.


    [Mal ein kleiner Zeitsprung]

  21. Nach oben    #21
    vip:oxy Avatar von Overkill
    aus over:kill wird killy der scape:goat
    6.727 Beiträge seit 12/2001
    Danke
    2

    Bastard Intern from Hell?

    Telefon

    "Ich geh schnell auf Station. Passen Sie hier auf das Telefon auf, ja?" Und schon war sie verschwunden.

    Eigentlich sollte ich mich ja geehrt fühlen. Schließlich passiert es nicht alle Tage, dass die Heimleitung, die Stelle, an der im Haus alle Fäden zusammenlaufen, einem simplen Praktikanten die ehrenvolle Aufgabe zuteil werden lässt, ihre Telefonate entgegenzunehmen. Darum kümmert sich normalerweise Verwaltraud. Und die ist heute nicht da. Und weil Chefin wahrscheinlich selbst keine Lust hat, ewig nervende Gespräche mit Firmenvertretern zu führen, hat sie wohl flugs beschlossen, einfach mal auf der Pflegestation nach dem Rechten zu sehen. Ohne Telefon. Das würde dabei ja nur stören. Zumal es sowieso nur Vertreter sind, die versuchen, uns irgendwelche Produkte zu verkaufen, die wir schon haben, zu Preisen, die doppelt so hoch sind wie die, welche wir normalerweise zahlen. Oder es geht um Artikel für das Krankenhaus, das früher hier mal drin war und vor guten zehn Jahren geschlossen wurde. Wobei ich mich bei diesen Anrufern frage, ob sie überhaupt registrieren, was zur Begrüßung am Telefon gesagt wird.

    Noch bevor ich reagieren kann, höre ich, wie sie bereits am Ende des Flurs die Küchenleitung abwimmelt und in den Fahrstuhl hechtet. Ehrlich gesagt kann ich sie verstehen. Es gibt nichts Schlimmeres als schmierige Firmenvertreter, die dem Haus irgendwelche Produkte verkaufen wollen, die … na ja.

    Ich begutachte für einige Sekunden das Mobilteil ihres Telefons, im Heimjargon schlicht ‚Handy' genannt, ehe ich es neben das Äquivalent der Verwaltung auf meinen Schreibtisch lege und mich wieder der Arbeit am Computer widme. "Ein historischer Abriss über den Verlauf des Israel/Palästina-Konflikts unter besonderer Berücksichtigung der Rolle der Vereinten Nationen". Klingt interessant.

    Ich möchte gerade anfangen, dem entsprechenden Link zu folgen, da klingelt das Telefon. Entgeistert minimiere ich den Browser, öffne wahllos ein Word-Dokument aus dem Archiv, um eventuellen Besuchern im Büro zu zeigen, wie schwer ich arbeite, und hebe den Hörer pünktlich beim dritten Klingeln ab.

    "Sankt-Benedikt-Altenstift Mühlbach, West, guten Tag", schalmaie ich.
    "Ja, guten Tag, Schmitz, Firma Klein und Co. KG. Ich hätte gerne mit Ihrer Hausleitung gesprochen."
    "Einen Moment, ich verbinde."

    Ich wähle die Nummer von Chefins Handy, scolle mehrmals im Word-Dokument auf und ab, tippe einige Zeichen, lösche sie wieder und gehe an das klingelnde Handy der Chefin. Pünktlich beim dritten Läuten.

    "Sankt-Benedikt-Altenstift Mühlbach, West, guten Tag", beginne ich, ohne auch nur meine Stimme verstellt zu haben. "Was kann ich für Sie tun?"
    Ich merke, wie mein Gegenüber am anderen Ende der Leitung ein wenig irritiert ist.
    "Öhm … ja … ich hätte gerne die Hausleitung gesprochen."
    "Oh, das tut mir leid, die ist momentan nicht in ihrem Büro. Ich verbinde Sie mal mit der Zentrale, die wissen vielleicht, wo Sie sie erreichen können."

    Noch bevor der Firmenheini etwas sagen kann, stelle ich ihn in die Warteschleife und verbinde zurück zum anderen Apparat. Um die Zeit bis zum dritten Klingeln totzuschlagen, sortiere ich die Fresszettel, die ich neben dem Telefon liegen habe und auf denen Mitteilungen stehen, welche ich mir während der Telefonate notiere. Auf einem Zettel finde ich eine Nachricht der Firma Klein und Co. KG, durchgegeben von einem Herrn Schmitz. Jetzt erst fällt mir das Gesicht der Chefin ein, als ich ihr ausrichtete, betreffender Herr würde heute anrufen. Geschickt gemacht, das muss man ihr lassen, denke ich noch. Da klingelt das Telefon zum dritten Male. Ich hebe ab.

    "Sankt-Benedikt-Altenstift Mühlbach, West, guten Tag?"
    Ich höre, wie der Firmenvertreter einen tiefen Atemzug nimmt.
    "Ja, Schmitz hier, ich hätte gerne die Hausleitung gesprochen."
    Respekt, denke ich mir, er muss wohl wirklich dringend ein paar überteuerte Artikel verkaufen.
    "Aha, öhm …", beginne ich. Doch noch bevor ich aussprechen kann, fällt er mir ins Wort.
    "Ja, wir hatten ausgemacht, dass ich sie heute um diese Uhrzeit anrufe. Jetzt wurde ich schon zweimal verbunden, aber beide Male war sie nicht an der entsprechenden Stelle."
    "Hm …", spreche ich nachdenklich und bin erstaunt, wie gut ich diesmal das Gurren im Hals hinbekommen habe. "Hier ist sie leider auch nicht. Vielleicht ist sie ja in ihrem Büro, einen Moment, ich verbinde…"

    Ich höre gerade noch, wie er tief Luft holt, um mich davon abzuhalten, aber ich habe ihn schon in die Warteschleife gestellt. So langsam gefällt es mir. Ich überlege kurz, ob ich ihn diesmal mit der Wohngruppe verbinden soll, die ihn selbstverständlich wieder nach hier unten, in die Verwaltung, verbindet, aber ich nehme Abstand davon, falls Chefin vielleicht einen kurzen Ausflug dorthin macht und dann doch noch mit ihm sprechen muss. Also verbinde ich ihn wieder mit dem Handy der Chefin.

    "Sankt-Benedikt-Altenstift Mühlbach, West, guten Tag?"
    Das Atmen am anderen Ende der Leitung hört sich fast wie ein Grunzen an.
    "Bevor Sie irgendwas machen: Ist die Hausleitung in der Nähe?"
    "Einen Moment", sage ich ruhig und lege das Telefon auf den Tisch. Dann fahre ich einige Male mit dem Bürostuhl vor und zurück, so dass es sich anhört, als würde ich mich tatsächlich umsehen. "Nein, tut mir leid, sie ist nicht hier. Aber vielleicht weiß ja die Verwalt…"
    "Nein, um Himmels Willen!", tönt es mir entgegen und ich merke, wie er sich stark zurückhalten muss.
    "Vielleicht kann ich Ihnen ja weiterhelfen?", frage ich höflich.
    "Das glaube ich nicht", sagt er in einer Mischung aus Verzweiflung und Geringschätzung. "Aber einen Versuch ist es vielleicht wert."
    "Gut, einen Moment, ich lege das Gespräch gerade eben auf den anderen Apparat", gebe ich zurück und setze ihn wieder in die Warteschleife.

    Ich nehme den Fresszettel mit seinem Namen vom Stapel, zerreiße ihn und werfe ihn in den Papierkorb. Dann scrolle ich wieder einige Male durch das Word-Dokument. Es ist der wöchentliche Essens-Plan, den der KdV (Knecht der Verwaltung) jeden Freitag genau dann schreiben muss, wenn ich eigentlich in die Mittagspause gehen möchte. Ich mache mir eine gedankliche Notiz diesbezüglich. Dann klingelt das Telefon auch schon wieder zum dritten Mal. Ich hebe ab und frage mich selbst, ob dem Firmenvertreter das Lied "Greensleeves" genauso gut gefällt wie mir.

    "Sankt-Benedikt-Altenstift Mühlbach, West, guten Tag?"
    Ich höre nur ein aggressives Grunzen.
    "Ach, Sie sind's!", werfe ich schnell ein. "So, worum geht es denn?"
    Ich höre noch einige tiefe Atemzüge, bevor der Vertreter beginnt:
    "Ich wollte eigentlich nur nachfragen, ob Ihr Haus am Erwerb eines neuen Röntgen-Apparates interessiert ist."
    "Röntgen-Apparat?", frage ich mit gespielter Sachlichkeit.
    "Ja. Sie wissen schon, so ein Gerät, mit dem man sich die Knochen anschauen kann. Meinen Unterlagen zufolge ist Ihr Gerät mittlerweile schon stattliche 25 Jahre alt. Da sollte man sich einmal Gedanken um einen neuen Apparat machen."
    "Ich wüsste nicht, wofür wir hier einen Röntgen-Apparat brauchen sollten", antworte ich geschäftsmännisch.
    "Deshalb wollte ich ja auch die Hausleitung sprechen."
    "Die Hausleitung ist momentan nicht hier, aber wenn Sie Glück haben, dann kann ich sie verbin…"
    "Nein!", schreit es aus dem Hörer. "Bitte nicht. Aber, sagen Sie, ist vielleicht der Oberarzt irgendwo in der Nähe?"
    "Oberarzt?", frage ich ruhig, mein Lachen unterdrückend. "Wir sind schon seit knapp zehn Jahren kein Krankenhaus mehr."
    Ich merke, wie sich mein Gegenüber am anderen Ende der Leitung die Faust in den Mund steckt, um nicht loszuschreien.
    "Ah … OK … vielen Dank. Auf Wiederhören", dringt seine jetzt zittrige Stimme an mein Ohr.
    "Auf Wiederhören. Und einen schönen Tag noch!", gebe ich zurück.

    Ich bekomme gerade noch die ersten Millisekunden des gewaltigen Schreies mit, den er loslässt, ehe er auflegt.

    Liebe ich meine Praktikantenstelle? Ja, manchmal schon.

    (Eine von sechs Kurzgeschichten, inspiriert durch meine Arbeit im Altenheim von Dez 2004 - Juni 2005, geschrieben Anfang 2006)

  22. Nach oben    #22
    vip:oxy Avatar von Overkill
    aus over:kill wird killy der scape:goat
    6.727 Beiträge seit 12/2001
    Danke
    2
    So, ich will mich mal wieder profilieren, deshalb zwei neue Erzeugnisse.

    Die Stanze (März 2007)
    Gezeugt als Kind der jambischen Ästhetik,
    des blanken Verses Bruder, wohldurchlaucht,
    gebor’n in italienischer Poetik,
    bin ich für Tiefes häufig in Gebrauch.
    Dem hohen Ausdruck immerzu erbötig,
    trag ich in mir den schönen Frühlingshauch.
    Ich führ’ des Dichters Wort zu großem Glanze,
    drum werd’, erhaben, ich genannt die Stanze.


    Das Sonett (März 2007)
    Was sind Gedichte doch? Ein Wohnhaus großer Worte,
    ein Teil der Poesie, ein Stück der Göttlichkeit,
    ein Schauplatz großer Kraft, der Schöpfung schönstes Kleid,
    die Quelle vielen Ruhms, der Hochgesänge Pforte.

    Wir sind denn nunmehr ganz von hochgeborner Sorte,
    der Sizilianer Kind, die mit Erhabenheit
    den Minnesang verziert vor endlos langer Zeit,
    gewandert in die Welt, durch alle großen Orte.

    Als Jambenkind sind wir sechsfüßig wohlgeboren,
    nach dreien die Zäsur als Rastpunkt auserkoren,
    dass unsres Namens Klang erschallt im ganzen Land.

    Gewöhnlich tragen wir zur These zwei Quartette,
    als Gegenstimme dann zwei kürzere Terzette.
    So werden wir Sonett, auch Klinggedicht, genannt.

  23. Nach oben    #23
    vip:oxy
    39 Jahre alt
    aus giebig kotzen
    3.208 Beiträge seit 04/2003
    habe sie nicht gelesen... finde aber die form des sonetts zu wählen schon sehr möchte-gern.... was hast du davon? wieso nicht 4x4 zeilen? ... ach stimmt...dann wärs ja kein sonett!

    ^^

    ich les irgendwann ma nen paar davon... na ja hab allgemein was gegen vorgegebnen starren gedichtsformen. kreuz und paarreime kann meine mama auch finden...ist keine kunst ... ^^

  24. Nach oben    #24
    vip:oxy Avatar von Overkill
    aus over:kill wird killy der scape:goat
    6.727 Beiträge seit 12/2001
    Danke
    2
    Zitat Zitat von *cR4cK-b1TcH*
    was hast du davon?
    Wenn ich mich selbst zitieren dürfte:
    Zitat Zitat von Overkill
    ich will mich mal wieder profilieren
    Das kann deine Mama nämlich nicht. ;P

  25. Nach oben    #25
    vip:oxy Avatar von Overkill
    aus over:kill wird killy der scape:goat
    6.727 Beiträge seit 12/2001
    Danke
    2
    Wolf und Lamm (September 2007)

    Im warmen Licht der strahlend hellen Sonne,
    auf einer Wiesen saftig-sattem Grün,
    da stand ein Lamm, ergötzte sich mit Wonne
    des schönen Tags, gab sich dem Leben hin.

    Doch aus des Waldes dunklen, kalten Tiefen,
    mit schnellem Schritt und hinterlistgem Sinn,
    gewillt, alsbald ein Mahl zu finden, liefen
    zwei Wölfe zu des Lammes Aue hin.

    "Wir stimmen ab", begann einer der beiden,
    "was heute auf der Speisekarte steht.
    Denn demokratisch müssen wir entscheiden,
    was immer hier auf Erden vor sich geht."

    Da zog das Lamm, am Ende dieser Mär,
    zum Schutze seiner Freiheit ein Gewehr.

  26. Nach oben    #26
    vip:oxy
    35 Jahre alt
    aus gefuchst
    2.553 Beiträge seit 12/2003
    super toll

  27. Nach oben    #27
    vip:oxy Avatar von Overkill
    aus over:kill wird killy der scape:goat
    6.727 Beiträge seit 12/2001
    Danke
    2
    Wojciech (Oktober 2007)

    Tat der Knab' ein Mädlein seh'n,
    das ihn rasch bezaubert.
    Wie die Sonne war sie schön,
    hat mit ihm geplaudert.

    Mädel, Mädel, Mädelein,
    ich kann dich gut leiden.
    Ich will dir ergeben sein,
    wird was aus uns beiden?

    Wie die Menschen nun mal sind,
    ist es dann gekommen.
    Bald darauf hat sie ein Kind,
    er hat's angenommen.

    Mädel, Mädel, Mädelein,
    sei nicht so bescheiden!
    Werden eben Eltern sein,
    können's nicht vermeiden.

    Tat der Knab' das Mädelein
    mit dem Kind versorgen.
    Doch ein andrer kam herein
    jeden frühen Morgen.

    Mädel, Mädel, Mädelein,
    soll ich ihn beneiden?
    Er will dir ein Freier sein,
    was ist mit uns beiden?

    Da es sonst nichts Schönes gab
    in des Knaben Leben,
    rollten Tränen auf und ab,
    Herzen taten beben!

    Mädel, Mädel, Mädelein,
    lass' mich nicht so leiden!
    Willst du nicht mein Liebling sein,
    müssen wir uns scheiden.

    Doch das Mädel hört' ihn nicht,
    niemandem mehr traut' er,
    niemand mehr, der mit ihm spricht,
    Rufe werden lauter:

    Mädel, Mädel, Mädelein,
    brich nicht mit uns beiden!
    Sonst will ich ein Teufel sein,
    will dich lassen leiden!

    Kam es, wie es kommen musst',
    Knab' und Mädel stritten.
    Und er stieß, mit böser Lust,
    tief den Dolch in ihre Brust
    und hörte nicht ihr Bitten.

    Mädel, Mädel, Mädelein,
    aus ist's mit uns beiden!
    Wolltest nicht mein Mädel sein,
    wolltest lieber leiden!

  28. Nach oben    #28
    vip:oxy Avatar von Overkill
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    6.727 Beiträge seit 12/2001
    Danke
    2

    Für's Gschmäckle und weil's einfach passt

    Discipuli lamenta (März/April 2007)

    Seit Tagen schmor’ ich hier in meiner Stube,
    jetzt mangelt es mir an Konzentration.
    Ich falle in die tiefe, dunkle Grube,
    find’ keinen Halt und keine Adhäsion!
    Ich bin noch immer jener kleine Bube,
    der nichts versteht, und klagend klingt mein Ton:
    Ich fühle mich wie dieser Doktor Faust,
    der hier in meiner Schullektüre haust.

    Wo sind die alten Tage, großen Stunden?
    Wo, Goethe, Schiller, seid ihr jetzt und hier?
    Wo dreht der Geist von früher seine Runden?
    Wo weht nun heut’ der güldene Zephir?
    Wo sind meine Gedanken, die gesunden,
    die einst so zahlreich füllten mein Papier?
    Die Zeiten rasen fort, sie sind lebendig,
    und nichts ist wie der Wandel so beständig.

    Die Jahre gehen viel zu schnell vorüber,
    die großen Pläne ziehen mit dem Wind,
    der Blick zur Zukunft wird tagtäglich trüber,
    am Ende sieht er nichts und macht mich blind.
    Ein kurzes Päuschen wär’ mir so viel lieber,
    im tiefsten Innern steckt doch noch ein Kind!
    Wir machen uns bereit zur großen Wende,
    ein Schülerleben ist so rasch zu Ende.

    Wie gerne tät’ ich andre Schlüsse ziehen
    als den, der grade meinen Geist erfüllt.
    Wie gerne tät’ ich mich in Länder fliehen,
    in denen Lethes Strom mich sanft umspült.
    Wie gern säh’ ich das alte, helle Glühen,
    das einst die Tage mir zusammenhielt.
    Im Trane zeigt sich mir ein mattes Flimmern,
    vertrauter Wesen rätselhaftes Schimmern.

    Erinnerungen sind’s, die mich besuchen,
    Erinnerungen der Vergangenheit.
    Erinnerungen, stumpf wie die Eunuchen,
    Erinnerungen an die alte Zeit.
    Und weil sie kommen, will ich sie verfluchen,
    denn niemals bin ich gegen sie gefeit.
    Ihr naht euch, mir die Augen zuzuhalten!
    Ihr drängt euch auf, gespenstische Gestalten!

    Doch wie ihr kommt, habt ihr mein Herz bezwungen,
    die Wehr an seinen Mauern schnell besiegt,
    die Kapitulation mir abgerungen,
    mir diese Niederlage zugefügt.
    Von euren Armen fühl’ ich mich umschlungen,
    und bald hab ich mich schon an euch geschmiegt.
    Der Kopf wird mir so schwer, die Augen trübe,
    die Ohren sind mir stumpf, mein Körper müde.

    Und doch, ich lass euch keinesfalls gewähren!
    Als letztes Bollwerk leistet Widerstand
    mein Geist, der sich in hohen Denkersphären
    zu keiner Zeit an eurer Tafel fand.
    Er will sich nicht nach eurer Gunst verzehren,
    er hebt zur Abwehr seine starke Hand!
    Und wie er mit euch heftig streitend ficht,
    so sag’ auch ich: nein, heut’ kriegt ihr mich nicht!

    Obwohl ihr eifert, kann ich widerstehen,
    des Geistes blanker Harnisch hält euch stand.
    Obwohl ihr mich versucht mit eurem Flehen,
    gereicht er mir zum Schilde in der Hand.
    Obwohl es mir gefällt, euch anzusehen,
    bin ich von euch noch lang nicht übermannt.
    Ich flüchte mich auf himmelhohe Zinnen,
    verschanze mich mit allen meinen Sinnen.

    Wie schon so oft hat nun ein Krieg begonnen,
    der Kampf des müden Herzens mit dem Geist,
    ich selbst vernehme alles nur verschwommen,
    durch ihre Zwietracht ist mein Sinn verwaist.
    Der Klarheit Saft ist, mir zur Schmach, geronnen,
    ich kann nicht sagen, wie der Sieger heißt.
    An keiner dieser Fronten will ich rasten,
    denn beide legen auf mich schwere Lasten.

    Im Herzen lebt die Sehnsucht nach den Tagen,
    in denen alles Leben leichter schien.
    Es möchte ob der Gegenwart verzagen
    und gibt sich alten Träumen gerne hin.
    Wie oft ist es erfüllt von Unbehagen,
    da alle Zeiten schnell vorüberzieh’n.
    Es ist bald schwer betrübt, bald fröhlich-heiter,
    und bald ein gleichmütiger Wegbegleiter.

    Der Geist hingegen strebt nach scharfem Denken,
    Gefühle sind ihm schlichtweg nicht vertraut;
    er ist gewohnt, den Scharfsinn mir zu schenken,
    der tiefen Überlegung Zauberkraut.
    Berechnend trachtet er, die Welt zu lenken,
    die Zeiten sind ihm nur ein stummer Laut.
    Sein Wesen ist’s, das mir die Zukunft zeigt
    und zu vergangnen Tagen stoisch schweigt.

    In beiden kann ich mich wohl selbst erkennen,
    durch beide werd’ ich meiner selbst gewahr,
    doch ich vermag es nicht, sie dann zu trennen,
    wenn mich erschleicht der dunklen Nächte Mahr.
    So wird es mich beizeiten wohl verbrennen,
    was übrig bleibt – ein trauriger Velar.
    So seh’n ich jetzo mich nach einer Reise,
    doch bin ich inhaftiert und weine leise.

    Was bleibt mir darum? Nichts als stilles Harren.
    Der Kampf wird schon von selbst zu Ende geh’n.
    Dem Sieger winkt mein höchster güld’ner Barren,
    der’s ihm erlaubt, als ich die Erd’ zu seh’n.
    Was sind wir nämlich? Nichts als dumme Narren,
    die immerzu besagte Schlacht erfleh’n.
    Der Kampf begegnet mir in jedem Tag.
    Und so erklingt des Schülers Jammerklag’.

  29. Nach oben    #29
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    Danke
    2
    Die Wacht (2007)

    Sommersonn' gefriert in eisig-blau,
    kalte Strahlen über Feld und Au',
    Wiesen plötzlich frostig, spiegelglatt
    wie ein Grab im Dunst, so grau und matt.
    Wolken ziehen auf, tiefschwarz wie Pech,
    legen sich ins himmlische Geflecht,
    düster fällt die Dunkelheit der Nacht -
    lautlos sitzt er da und hält die Wacht.

    Sommerhimmel, dunkel, düster, kalt,
    Zeiten rasen, ruhen, rennen bald,
    Blumen welken und verdorren schnell,
    Augen suchen nach des Lichtes Quell',
    sehen Dinge, die vergangen sind,
    Jahreszeiten flüchten vor dem Wind,
    fahler Atem flüchtet in die Nacht -
    zitternd sitzt er da und hält die Wacht.

    Kerzen brennen, lodern, flackern gar,
    beißen sich in vieler Nächte Mahr,
    Traulichkeit wird scheußlicher Gestank,
    da die Wärme lange schon ertrank.
    Unnachgiebig wächst der alte Schmerz,
    bohrt sich in das brennend heiße Herz,
    nasse Augen blicken in die Nacht -
    schluchzend sitzt er da und hält die Wacht.

    Edel zier'n drei Kreuze jenen Stein,
    schimmernd glänzt ein Schriftzug hinterdrein,
    eine rote Ros' bedeckt, zur Schau,
    des Dämonen unterird'schen Bau,
    Regen zieht herauf, verklärt die Sicht,
    kleine Kreuze brechen sich im Licht,
    leuchten durch die sternenklare Nacht -
    ohne Leben fiel mit ihm die Wacht.

  30. Nach oben    #30
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    Frustum Studiosi! (21. November 2008)

    Vergangner Tage längst verwehte Worte,
    Ihr sucht mich heim, Ihr nagt an meinem Geist!
    Ihr wisst, ich bin Gefangner jener Orte,
    Die Ihr seit Jahren Eure Heimat heißt.

    Ich kann, ich soll, nein, muss doch mit Euch ringen,
    Euch zeigen, wer hier wen wie kontrolliert,
    In Grenzen weisen, ich muss Euch bezwingen,
    Auch wenn uns das nicht unbedingt plaisiert.

    Traumwandlerisch durchlaufe ich die Gänge,
    Zigtausendmal knarrt Holz durch meinen Schritt.
    Gedankenvolle Hoheliedgesänge,
    ein Windstoß! Warte, bitte, nimm mich mit!

    Denn endlich seh' ich klar: die Zeit ist leer.
    Drum ist mein kleines Herz von Tränen schwer.

  31. Nach oben    #31
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    Danke
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    Der Student (01. Dezember 2008)

    Ein armer Student saß im Winter
    vor der Arbeit und manchmal dahinter,
    wollte alles das lesen,
    was damals gewesen,
    verzettelte sich und heut spinnt er.

  32. Nach oben    #32
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    Danke
    2
    Koste ich den Apfel, Laura,
    wird es süßer oder saurer
    wie es sich zu leben pflegt?
    Koste ich? Ich muss es wagen,
    denn zu lange, muss ich sagen,
    habe ich mich nicht bewegt!

    Stillstand ist es, hübsches Mädchen,
    der mich zwischen seinen Rädchen
    einklemmt seit geraumer Zeit.
    Will ich jemals doch gedeihen,
    muss ich hieraus mich befreien,
    hin zur wahren Ewigkeit.

    Wahrheit ist es, meine Süße,
    deretwegen ich verdrieße,
    weil sie mich das Leben lehrt.
    Sie ist denn das wirklich Neue,
    das ich wohl am meisten scheue,
    da es mich komplett verzehrt.

    Ewigkeit, mein kleines Liebchen,
    ist ein weites Hinterstübchen,
    viel zu nah und doch zu fern.
    Bin ich innerlich zerrissen?
    Habe ich denn kein Gewissen?
    Habe ich dich wirklich gern?


    (9. Dezember 2009)

  33. Nach oben    #33
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    Danke
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    Ich war mal zu Haus' bei Brigitten
    und fing schließlich an, sie zu bitten:
    "Mein Schatz, hör' mein Flehen,
    lass' mich nicht so stehen!"
    Am End' durft ich ihr an die - Wäsche.

    Im Park auf der Bank saß Ulrike
    und angelte sich meine Blicke.
    Doch blieb's nur beim Schauen,
    ich tät' mich nie trauen;
    wie schad', dass ich sie wohl nie - auf nen Kaffee einlade.

    Beim Essen mal mit der Swetlana
    frug ich sie als eifriger Planer:
    "Das Kotelett vom Schwein
    scheint Dir nicht zu gedeih'n -
    bist du Jude?" - "Nein, nein, nur Veganer."

    Ich will auch was schreiben mit Silke,
    doch da reimt sich nur Rainer Rilke.
    Ganz anders Maria,
    da geht nämlich Bier,
    viel besser als, hier, Erich Mielke!

    Es saß am Kömpjuhdor Frau Priehm
    und hat ein paar Zeilen geschriehm.
    Doch außer Verwandten
    hat's niemand verstanden,
    die Gutste kam schließlich von driehm.


    (Dezember 2009)

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