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Thema: geschichtsfälschung im Mittelalter

  1. #1
    vip:oxy
    39 Jahre alt
    aus giebig kotzen
    3.208 Beiträge seit 04/2003

    geschichtsfälschung im Mittelalter

    Letzens kam bei Welt des Wissens auf Pro7 nen interessanter Bericht.
    Es ging um nen Historiker, der davon überzeugt war, das unsere Geschichte um rund 300 Jahre erfunden ist und wir uns eigentlich im Jahre 1709 befinden.
    Die ganze Geschichte zwischen dem 7. und 10. jahrhundert soll wohl einfach dazugedichtet worden sei...

    hier ausgiebige infos dazu:

    artikel auf der "gegenwart" : http://www.lelarge.de/gegenwart.html
    artikel aus "welt am sonntag" : http://www.lelarge.de/wams.html
    wiki: http://de.wikipedia.org/wiki/Erfundenes_Mittelalter


    was haltet ihr davon? Also ich find's recht interessant und teilweise auch recht glaubwürdig.
    Man fühlt sich schon bissl kacke, wenn man so überlegt, wieviele annahmen wir nur auf alte schriften von irgendwelchen "gelehrten" stützen... und wieviel davon eigentlich frei erfunden sein könnte. Keine sau weiß, was wirklich passiert ist und wie die welt wirklich war. Wer schreiben konnte...hat sich die weltgeschichte nach seinen interessen zusammengesponnen. Und das waren nunmal größtenteils die Interessen der Christen.
    Was nun ist nun Betrug? Was ist wahr? Soll man Hinterfragen oder einfach so weiter machen wie bisher, weil man's ja eh nie rausbekommen wird?
    Schade eigentlich dass diese ganzen Menschen soviel gefälscht haben nur um ihre eigenen überzeugungen durchzusetzen. Wär ma lustig zu sehen, wie die welt aussehn würde, ohne das alles.

  2. Nach oben    #2
    vip:oxy Avatar von Overkill
    aus over:kill wird killy der scape:goat
    6.727 Beiträge seit 12/2001
    Danke
    2
    Erstmal: Ich würde Heribert Illig, um den sich dieser Bericht bei Pro7 wohl gedreht hat, nicht als "Historiker" bezeichnen.
    Nur weil ich erkennen kann, wenn jemand anderes Schnupfen hat, bin ich ja auch kein Mediziner

    Wenn man sich ein wenig mit dem Mittelalter und vor allem der mediävistischen Forschung sowie deren Methodik auseinandersetzt, dann erkennt man sehr schnell, dass Illig gänzlich unwissenschaftlich arbeitet.
    Wikipedia verweist ja selbst auf eine Seite, die sich mit der Wissenschaftlichkeit von Illigs Werken auseinandersetzt.

    Als Student der Mittleren und Neueren Geschichte habe ich schon von der These des erfundenen Mittelalters gehört, und mir danach auch mal das (auf der Seite verwendete) Buch von Illig aus der Bibliothek besorgt, um die Kritikpunkte dieser Seite nachzuprüfen. Soweit ich erkennen konnte, stimmen die Kritikpunkte.

    Zumal das Wort "Fälschung" im Mittelalter eine gänzlich andere Bedeutung hat als heutzutage (lernt man im Mittelalter-Proseminar in den ersten Wochen): eine Fälschung ist meist eine Urkunde, die eine gewisse Person selbst erstellt,um ein vom König (oder Papst, Kaiser, ...) in der Vergangenheit gegebenes Recht, Privileg o.ä. geltend zu machen. Sei es, dass dieses Recht nur mündlich gesichert wurde (die wenigsten Könige im Mittelalter konnten selbst schreiben; und allgemein geschah vieles auf der Grundlage des Gewohnheitsrechtes, ohne die heute üblichen juristischen Anforderungen/Kriterien für rechtlich bindende Sachverhalte [kurzes Beispiel: Heinrich I. hat ein Militärbündnis mit den ostfränkischen Großen gegen die Ungarn im Rahmen eines Abendessens/Gelages geschmiedet und dies war, auch ohne Urkunde und schriftliche Fixierung, für die Teilnehmer bindend]), sei es, dass die Originalurkunde bei einem Unglück (Brand, Schlamperei, Krieg) verloren ging. Eine Fälschung war im Mittelalter also keineswegs ein solch moralisch verwerflicher Akt wie er es heute ist, sondern ein zulässiges Mittel, um seine Rechte einzufordern.

    [In diesem Zusammenhang ist auch die "Konstantinische Schenkung", eine gefälschte Urkunde, in der der römische Kaiser Konstantin dem Papst das weströmische Reich als Herrschaftsbereich zuteilt (bzw. zugeteilt haben soll), äußerst interessant, da alleine die Tatsache, dass die Urkunde gefälscht ist, keine Rückschlüsse darauf erlaubt, Konstantin habe dem Papst das weströmische Reich nicht übertragen. Das aber nur nebenbei.]

    Weiterhin ist es erstaunlich, dass Illig keinerlei Probleme dabei hat, andere Kulturkreise in diese Hypothese einzubauen und es so hinzubiegen, dass es passt. Was er voraussetzt, sind tatsächlich gewisse Vernetzungen und Absprachen zwischen einzelnen (meist abgeschlossenen) kulturellen Räumen, die es so in der damaligen Zeit einfach nicht gab, da es an der dafür notwendigen Infrastruktur mangelte. Warum sollten die arabisch-islamischen, warum die oströmisch-byzantinischen Herrscher bei dieser Fälschungsaktion mitspielen? Wie hat man das so koordiniert, dass es keine auffälligen Lücken gibt? Wie sieht es mit Indien und China aus? Was Illig hier postuliert, ist eine weltweit angelegte Fälschung der Geschichte, die eben von Britannien bis nach China reicht, vom Atlantik bis zum Pazifik. Das alles nur, um einigen wenigen ihren Willen zu geben? Das alles nur, um christlichen Chronisten bei einer Fälschung der Geschichte zu helfen? Was er hier verlangt, ist der Glaube an eine weltweite "Verschwörung". Warum sollten die Chinesen, warum die Inder bei so etwas mitmachen?
    Einzig und allein seine Theorie vom Islam als Sekte innerhalb des Christentums (Arianismus) ist interessant, lässt aber eben den gesamten Hergang der Islamisierung Nordafrikas außer Acht.

    Ebenfalls stellt Sachsen ein gewaltiges Problem in Illigs These dar. Vor 614 war das Stammesgebiet nämlich noch vollkommen unabhängig vom fränkischen Reich und heidnisch. Erst Karl der Große hat Sachsen in einem 30 Jahre währenden Eroberungsfeldzug in sein Reich integriert und christianisiert. Bei Illig ist Sachsen über Nacht einfach da. Plopp, und schon sind die Sachsen (nach Illig im Jahr 615) christlich. Und als wäre das nicht schon genug, wird der Sachse Heinrich im Jahr 918 (622 nach Illig) ostfränkisch-deutscher König. Das ganze zieht sich ellenlang weiter: Otto der Große wird 962 (666 nach Illig) urplötzlich römischer Kaiser und wird als solcher sofort - ohne Probleme, wie sie beispielsweise Karl der Große zu Beginn hatte - auch von den anderen (Kalif von Cordoba, byzantinischer Kaiser) als solcher anerkannt.

    Solche Kleinigkeiten wie z.B. Unstimmigkeiten in der bayerischen Landesgeschichte (auf die Herrschersippe der Agilolfinger folgt, plopp, über Nacht auf einmal der Luitpoldinger Arnulf, der in seinem errschaftsinstrumentarium Dinge hat, die zu Zeiten der Agilolfinger noch komplett unbekannt waren und dessen Herrschaftspraxis im sog. "jüngeren Stammesherzogtum" sich fundamental von dem der Agilolfinger im sog. "älteren Stammesherzogtum" unterscheidet, die ethnologischen Erwägungen beim Thema "Stammesherzogtum" mal außer Acht gelassen, da die Bayern von 614 nicht die Bayern von 911 waren) oder die variierende Größe des Frankrenreiches zu Zeiten der Merowinger und im 10. Jahrhundert (Illig nennt als Beleg beispielsweise die Auseinandersetzungen um 'Burgund', lässt aber völlig außer Acht, dass Burgund im 7. Jahrhundert ein völlig anderes Gebiet war als [das Königreich Burgund] im 10. Jahrhundert [es gab da zwar auch ein Gebiet namens Burgund im westfränkischen Reich, aber um das hat man sich nie gestritten]).

    Von daher: nette Trivialliteratur für kurzweilige Stunden in den Ferien, aber nichts, das man ernst nehmen könnte.

    [Zum Abschluss nochmal eine Bemerkung: das (europäische) Mittelalter kommt uns heutzutage nur so christlich vor, weil eben nur in Klöstern oder allgemein christlichen Einrichtungen eine schriftliche Kultur gepflegt wurde. Es gibt einen Teilbereich der Mittelalterforschung, der sich mit der Sozialgeschichte befasst, und wenn man sich da mal umsieht, dann wird man stellenweise echt verwundert sein über die teils blasphemischen, teils frivolen Quellen, die man bis heute gefunden und aufbereitet hat.]

  3. Nach oben    #3

    aus gemachter weltraumreisender
    1.544 Beiträge seit 06/2004
    und was würde das jetzt ändern wenn heute 1706 und nicht 2006 wäre?
    genau, nix!

  4. Nach oben    #4
    vip:oxy
    39 Jahre alt
    aus giebig kotzen
    3.208 Beiträge seit 04/2003
    nagut...soviel wissen hatte ich nun nich. fand die texte nur interessant.

    ABer warum schreibt der mann dann diese ganzen bücher darüber, wenn nen geschichte student schon weiß , dass das alles nicht stimmen aknn. Ist der blöde? :P

    Fand's aber trotzdem wieder ma erstaunlich, wie wenig wir EIGENTLICH wissen...und uns halt nur auf solche , leicht manipulierbaren, quellen verlassen, was unsere geschichte angeht. DIe welt hät auch ganz anders aussehn können, als wir denken.

  5. Nach oben    #5
    vip:oxy Avatar von Overkill
    aus over:kill wird killy der scape:goat
    6.727 Beiträge seit 12/2001
    Danke
    2
    Die Texte bzw. die gesamte Theorie ist ja auch interessant. So wie auch Dan Browns Verschwörugnstheorien vom Vatikan interessant sind (sein können). Oder die Mythen rund um Area 51.

    Warum er diese ganzen Bücher schreibt? Ganz einfach: Wie viele Leute studieren Geschichte? Wie viele Leute studieren mittelalterliche Geschichte (das ist oftmals ein separates Fach und wenn jemand Geschichte studiert, nimmt er meist neuzeitliche Geschichte)? Wie viele Leute studieren zwar nicht, kennen sich aber aus persönlichem Interesse heraus mit dem Thema aus? Und zuletzt: Wie vielen Leuten springt eine solche These ins Auge, wenn sie sich a) weder für mittelalterliche Geschichte interessieren und b) kaum etwas darüber wissen? Die meiste echte Fachliteratur findet man als Normalo nicht, weil die Mediävisten (leider muss ich sagen) ein ziemlich abgeschottetes Dasein fristen, unter sich sind und kaum mit der "Außenwelt" kommunizieren. Das, was man in den Bibliotheken und Büchereien an Literatur über das Mittelalter findet, sind meist populärhistorische Darstellungen, Bildbänder und ähnliches, die vollkommen unwissenschaftlich und mitunter auch von den Fakten her falsch geschrieben sind (im Zuge der Literaturrecherche für das Proseminar bin ich über einige dieser Sachen gestolpert). Und im Vergleich dazu erscheint er schon ein wenig wissenschaftlicher. Er ist also nicht blöde, sondern ganz schlau, indem er die Schwachstellen der Mediävistik (nämlich die Außenwirkung) geschickt nutzt, um selbst Profit zu schlagen.

    Und außerdem spielt er mit etwas, spricht etwas an, das wohl jedem nahe geht: wieviel wissen wir überhaupt über die Vergangenheit? Das ist ein interessantes Feld, keine Frage. Und die Forschung beschäftigt sich auch damit, beäugt die gefundenen Quellen kritisch, ja selbst unter Historikern gibt es Kontroversen über manche Sachverhalte, weil die Quellenlage keine eindeutigen Schlüsse erlaubt. Und weil man sich besonders gerne um die Zeit des 8./9./10. Jahrhunderts kloppt, da hier eben relativ gesehen (und nur relativ gesehen!) wenig Quellen überliefert sind, ist er in die Bresche gesprungen und hat schlicht und ergreifend behauptet, das ganze wäre nie passiert. Die von ihm postulierte "Quellenarmut" bezieht sich tatsächlich nämlich nur auf den Vergleich mit anderen Epochen.
    Was er letzten Endes aber offenbart, ist sein Geschichtsbild, das aus dem 19. Jahrhundert stammt: die Historiographie ist vollkommen objektiv und neutral. Dass die Geschichtsschreibung selbst aber mehr über die Zeit, in der sie betrieben wird, als über die, die sie behandelt, zum Besten gibt, ist ihm fremd.

  6. Nach oben    #6
    melody
    oxy:gast
    Liest man Texte von Erich von Däniken oder anderen Pseudowissenschaftlern denkt man schnell "interessant" und ist beeindruckt.
    Schaut man jedoch hinter die Thesen erkennt man viele Leere Hülsen, Verschleierungsmechanismen und einseitige Auslegung diverser Dinge.
    Ich find an sich sind diese Theorien interessant, besonders unter dem Gesichtspunkt von Argumentationsstrukturen etc.

    ach und auf die Frage warum manche Menschen sowas schreiben, obwohl alles Schwachsinn ist?
    Zumindest lässt sich auch Geld verdienen damit

  7. Nach oben    #7
    vip:oxy
    39 Jahre alt
    aus giebig kotzen
    3.208 Beiträge seit 04/2003
    hehe... hab sogar nen handsigniertes buch vom lieben erich....

    der hat mich damals auch schwer beeindruckt... :P

  8. Nach oben    #8

    39 Jahre alt
    aus da wo oben unten ist
    166 Beiträge seit 08/2003
    Zitat Zitat von *cR4cK-b1TcH*
    nagut...soviel wissen hatte ich nun nich. fand die texte nur interessant.

    ABer warum schreibt der mann dann diese ganzen bücher darüber, wenn nen geschichte student schon weiß , dass das alles nicht stimmen aknn. Ist der blöde? :P

    Fand's aber trotzdem wieder ma erstaunlich, wie wenig wir EIGENTLICH wissen...und uns halt nur auf solche , leicht manipulierbaren, quellen verlassen, was unsere geschichte angeht. DIe welt hät auch ganz anders aussehn können, als wir denken.
    Der gute Mann schreibt den Unsinn, weil die Leute so einen Schund kaufen.
    Hab mich auch schon mal mit der Thematik beschäftigt. Son Spinner!
    Mit wissenschaftlicher Arbeit hat das nichts zu tun.

  9. Nach oben    #9

    35 Jahre alt
    aus von draußen weißt du ?
    2.263 Beiträge seit 11/2004
    son dreck hab ich selten gehört

  10. Nach oben    #10

    39 Jahre alt
    aus da wo oben unten ist
    166 Beiträge seit 08/2003
    Für alle die ebenfalls lachen wollen: ein ähnlicher Spinner

    http://www.dillum.ch/html/olympia_vesuv_neapel.htm


    Sehr wissenschaftlich:
    " [...]Analysiert man den Akkusativ OLYMPIAM, so gilt es zuerst, den Namen zu entvokalisieren, weil nur die Konsonanten zählten.Also liest man OLYMPIAM = LMPM.

    Der Name Olympia beginnt mit einem Vokal. Das war bei der Namensgebung unmöglich. Wir müssen einen abgefallenen Anfangs-Konsonanten annehmen.

    Setzen wir V ein, so ergibt sich VLMPM.

    Dieses Wort ist reichlich lang. Sehr wahrscheinlich steht eine Zusammensetzung aus zwei Wörtern dahinter.

    Wir trennen VLM und PM. - Aus jahrelanger Analyse von alten Namen erkenne ich darin sofort die vollständigen Konsonantenfolgen VSLM und PLM.

    VSLM aber ergibt VESULIUM oder VESUVIUM, im Nominativ VESUVIUS, Vesuv.

    PLM steht für POLIM, im Nominativ POLIS, Polis = griechisch für Stadt.

    OLYMPIA bedeutet also nichts anderes als Vesuv-Stadt!

    Wollte man eine deutsche Entsprechung finden, so würde der Ort WALENSTADT heißen. - Diesen Ort gibt es tatsächlich im Schweizer Kanton Sankt Gallen![...]


    Das geht noch weiter so...


  11. Nach oben    #11
    vip:oxy
    39 Jahre alt
    aus giebig kotzen
    3.208 Beiträge seit 04/2003
    lol...naaaa jaaaa.... nicht die selbe qualität würd ich sagen

  12. Nach oben    #12

    39 Jahre alt
    aus da wo oben unten ist
    166 Beiträge seit 08/2003
    Äh, also für mich gehört der gute Herr Illig genau zu dieser Art Leute.
    Du willst mir doch net echt erzählen, dass du du Illig für qualitativ beachtenswert hältst?

  13. Nach oben    #13
    vip:oxy Avatar von Overkill
    aus over:kill wird killy der scape:goat
    6.727 Beiträge seit 12/2001
    Danke
    2
    Der einzige Verdienst Illigs ist, dass so langsam innerhalb der Historikerzunft eine Diskussion aufkommt, wie man eine bessere Außenwirkung erzielen kann. Von daher hat es doch etwas gutes

  14. Nach oben    #14

    38 Jahre alt
    aus Phantasìen
    2.483 Beiträge seit 08/2002
    guru: wobei die ideen gut sind - und wenn er blödsinn redet: quod est demonstrandum.

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