"We are not Homo sapiens, Wise Man. [...] We are Pan narrans, the storytelling ape."
- Terry Pratchett
Der Mensch erschafft sich eine Welt, indem er sich Geschichten von ihr erzählt. Das Gehirn eines Menschen steht in ständigem Dialog mit sich selbst, ohne eigentlich Notiz von der Umgebung zu nehmen.
Vor Urzeiten, als der Mensch gerade den Baum verlassen hatte und sich erste lose Klans bildeten, war es zum Überleben wichtig, ohne überlegen zu müssen, was gerade passiert. Schon das kleinste Anzeichen drohender Gefahr, ließ die Urmenschen fliehen. Eine Liane, die ungünstig aus dem Blätterwerk der Büsche lugte, genügte, um im Gehirn das Programm zu Flucht anlaufen zu lassen. Und es spielte kaum eine Rolle, ob es nun wirklich ein Tiger war. Niemand fand es jemals heraus, oder wurde gefressen.
Heute ist vieles anders geworden. Es gibt kaum noch ernst zu nehmende natürliche Gefahren, aber das Gehirn redet immer noch. Doch mittlerweile hat es sich den Fluchtreflex so gut wie abgewöhnt, aber mit dem Reden kann es einfach nicht aufhören. Und so erzählt es unaufhörlich von Erfahrungen und sucht in der Umgebung nach Anhaltspunkten für Geschichten. Hat es mal einen Gefunden, dann ging es erst richtig los. Eine Euphonie an Gedanken überfluten das Ich und stellen es vor die Wahl. Glaub dran oder vergiss mich.
Nun hat sich der moderne Mensch einige schlaue Tricks einfallen lassen. Nicht nur möglichst viele Menschen ohne großen Aufwand zu vernichten. Er hat sich Mittel und Wege geschaffen, dieses Geschichten erzählen auszunutzen. Was man lernt sind Geschichten. Sie werden einem in frühster Kindheit erzählt und verankern sich tief im gerade wachsenden neuronalen Netz. Tief eingepflanzt übernehmen sie das erkennen von Schwanzenden im Busch, die eine Flucht nach sich zieht. Der moderne Schwanz eines Tigers sind Ideen und Konzepte, die die Lehrer nicht gerne hören.
Lügen für Kinder sind ein weiteres Konzept, sich nicht mit der harten Wirklichkeit des Affendaseins auseinander setzen zu müssen. Wer Kinder hat, wird unter Umständen sein Verhalten erkennen. Ich hoffe ihr ändert es. Wer noch keine Kinder hat, oder keinen Zugriff auf welche hat, der muss an seine eigene Kindheit zurückdenken. Was wurde uns nicht alles erzählt.
Oft haben Erwachsene keine Lust, über Tatsachen mit ihren Kindern zu reden. Vor allem, wenn sie unangenehme Fragen stellen, wie "Warum?". Irgendwann kommt man an den Punkt, wo man gefrustet aufgibt und so etwas wie " Das ist halt so" sagt. Tatsachen eben.
Kinder haben die wundervolle Befähigung, alles, was um sie geschieht, durch den Filter der Unwissenheit betrachten zu können. Die Geschichten sind noch nicht eingepflanzt und es ist bereit, sich eigene Geschichten auszudenken. Geschichten, die die Gesamtheit umfasst und nicht nur Tunnelrealitäten. Die kommen erst später. Es ist erstaunlich, für wie viele unterschiedliche Dinge sich Kinder interessieren und wie selbstverständlich sie mit unterschiedlichen Realitäten spielen.
Nichts scheint darauf abzuziehlen, irgendwann mal nur noch spezialisiert zu sein und sich sein halbes Leben nur mit dem Gleichen zu beschäftigen.
Und hier kommen die Geschichten der Erwachsenen, schlagen in ihrer brutalen Ignoranz zu und vernichten in nur wenigen Jahren Neugier und den Wunsch alles zu wissen. Ersetzt wird es durch eine Realität, die seit Tausenden von Jahren auf die gleiche Weise in ein formbares Gewebe gepflanzt wird. Und viel hat sich seit damals am Inhalt nicht geändert.
Es wird Zeit die Geschichten als Geschichten zu begreifen und die Realität wo anders zu suchen. Oder zu mindest auf zu hören, den Kindern etwas vor zu lügen. Sie verstehen mehr, als Erwachsene und sie begreifen eher. Und was soll der Schwachsinn einem Kind zu sagen, es sei noch nicht alt genug. Irgendwann ist es zu alt und dann ist es zu spät. Wir, die wir glauben, mit dem Alter kommt die Weisheit, haben schon lange nicht mehr nach draußen geguckt und das Wunder betrachtet, das wir sind.
Die Blockaden der Erziehung lasten schwer auf der Welt und den Menschen selbst. Zerstörung ist die Folge und die Mehrheit lebt noch heute in Angst und Zweifel. Und obwohl 5/6 der Menschheit entweder von Krieg und Vertreibung oder in Armut und Hunger Leben, glauben noch immer 1/6 der Menschheit daran, dass alles Klasse läuft und überhaupt, Wenn es einem schlecht geht, dann ist man doch selber Schuld, hätte man sich halt mehr anstrengen müssen.
Lügen für Kinder. Welch genialer Schachzug. Vielen dank auch.
Aber nicht vergessen. Geschichten sind die Essenz des menschlichen Lebens. Wir können uns entscheiden, welche Geschichten wir erzählen wollen und an welche Geschichten wir glauben wollen. Den obwohl es leichter ist, in ein ungeformtes kindliches Gehirn Ideen zu pflanzen, besteht immer noch die Möglichkeit, jederzeit einen anderen Realitätstunnel zu schaffen. Nur ist die Zeit begrenzt und am Ende ist man tot. Oder zu mindest hat man keinen Einfluss mehr auf den weiteren Verlauf des Lebens.
Hagbart
Der Film, den man sehen soll, kurz bevor man stirbt, ist das Leben und es ist ein Film in dem man selbst Schauspieler und Regisseur ist.
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