Hi ihr
Ich hab en Bericht für unsre Schülerzeitung geschrieben über die Iranische Gesellschaft, der vielleicht dem ein oder andern ne andere Sichtweise des Problems nahe legt.
Viel Spaß und Danke fürs Lesen.
Es ist 13.00 Uhr mittags.
Ein islamischer „Freiheitskämpfer“ steht oben auf einem Felsen und starrt stolz hinunter.
Ein Lastwagen-Konvoi kommt langsam heran gefahren, der von Soldaten geschützt wird. Plötzlich murmelt unser Protagonist irgend etwas gen Himmel und stürzt sich hinunter. Sein mit Handgranaten gespickter Gürtel explodiert sofort und reißt alles Leben mit sich hinab in den Tod.
Das ist nicht die Schilderung eines vor kurzem geschehen Anschlags, sondern der Inhalt einer iranischen Zeichentrickserie.
Finanziert werden diese Hassfilmchen von der Regierung, gesehen von iranischen Kindern.
Doch was ist das? Plötzlich flimmert Peter Klöppel über den Bildschirm und ein RTL-Logo prangt am oberen Bildrand.
Einen Kanal weiter und 50 Cent hüpft über die Mattscheibe begleitet von einer Schar halb entblößter Mädels. Doch wie ist das möglich in einem Staat, der seinem Volk lieber fanatische Hassparolen einhämmert anstatt Britney Spears-Songs trällern lässt?
Man muss nicht genau hinschauen um zu sehen, dass Teheran übersät von 100 000nden von Sattelitenschüsseln ist. Wer keine Lust auf Staatspropaganda hat- was bei dieser immensen Zahl von Schüsseln unübersehbar ist- der kann sich wahlweise Nachrichten von CNN oder Fernsehköche wie Tim Mälzer ins heimische Wohnzimmer holen.
Der Iran, ein Land der Widersprüche.
Ein Land, in dem nichts gezeigt werden darf, aber dennoch fast alles gesehen wird.
Wenn man an Feiertagen durch die Straßen fährt, so bilden sich endlose Schlangen vor den Kinos, von denen Besitzer hier zu Lande nur träumen können. Schließlich gilt Teheran als die größte Filmfabrik der islamischen Welt und war auch auf der diesjährigen Berlinale mit gleich 2 Filmen im Wettbewerb vertreten.
In dem Land der Widersprüche kann es durchaus vorkommen, dass ein Junge die „Stars and Stripes“ auf seinem Shirt trägt, während gleichzeitig im Hintergrund eines der zahllosen Anti-Amerikanischen Hetzplakate zu sehen ist.
Ähnlich verhält es sich mit Filmen, die aus Hollywood stammen. Zwar laufen diese nicht in den hiesigen Kinos, sind aber als Raubkopie kurz nach dem Filmstart bei den vielen fliegenden Händlern zu haben. King Kong und Harry Potter trotzen somit der strickten Staatszensur, doch damit ist der Markt der bewegten Bilder noch lange nicht ausgeschöpft.
Eine ganze Ablage von Filmzeitschriften stapelt sich an den zahllosen Kiosken der Stadt.
Eine von ihnen, ist die 14 Mitarbeiter starke „Bonniefilm“, die täglich rund sensationelle 80 000 Exemplare verkauft. Die Themen unterscheiden sich kaum von unsern Klatschspalten, denn auch die Iraner lesen gerne welcher ihrer Stars sich gerade die Nasenflügel erneuern lässt oder welcher Film gerade angesagt ist.
Doch wo entstehen die vielen Streifen, die den schier unendlichen Filmdurst der Teheraner stillen sollen.
Tatsächlich ist die 11 Millionenstadt, die sonst eher für ihre langen Staus berühmt ist, das Zuhause hunderter von Filmbüros.
Da gibt es beispielsweise im Norden prächtige Villen, in denen reich gewordene Produzenten, gemütlich Wein schlürfen, um anschließend Freunden, die neuesten Produktionen auf nagelneuen Flachbildschirmen vorzuführen.
Auf der andern Seite gibt es dunkle Kellerstudios in verfallenen Häusern, die mit den Ersparnissen von Großfamilien am Leben gehalten werden.
Aber auch traditionell gekleidete ältere Herren mit Bart und Teetässchen, die zwischen Zierdolchen und fast kitschigen Kronleuchtern ihr filmisches Schaffen ausleben, sind vertreten.
Seit dem 11. September ist es zwar durchaus schwerer westliche Partner für Projekte zu finden, doch erlebt Teheran momentan eine regelrechte Heimkehr von „verlorenen Söhnen.“
Es sind junge Regisseure, die in ihr Heimatland zurückkommen um den expandierenden Filmmarkt mit eigenen Projekten voranzutreiben, die meist nicht legal sind.
Doch trotz aller Studios, Zeitschriften und jungen modernen Menschen, sitzt eben doch der Staat am längeren Hebel und so kommt es, dass jährlich hunderte von Spiel und Dokumentarfilmen versteckt im Untergrund entstehen müssen, um sich hoffentlich noch lange der Zensur der Fanatiker zu entziehen.
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