Diethylether
(Ether, Ethylether). H5C2–O–C2H5, C4H10O, MG. 74,12. Der bekannteste Vertreter aus der Ether-Gruppe, klare, wasserhelle, leichtbewegliche, süßlich riechende Flüssigkeit, D. 0,715, Erstarrungspunkt –116°, Sdp. 34,5°, FP. –40° c.c.! Infolge des niedrigen Sdp. verdunstet D. bei Zimmertemp. rasch, er bildet mit Luft schon in einer Konz. von 1,8*Vol.-% explosible Gemische, Selbstentzündung bei 180–190°. Lädt sich beim Schütteln leicht elektr. auf, daher dürfen größere Mengen an D. nur unter elektr. Erdung umgefüllt werden. In Wasser ist D. zu 6,5% lösl., in konz. wäss. HCl, Methanol, Ethanol u.a. aliphat. Alkoholen, Chloroform, Petrolether, Ölen u. den meisten Lsgm. für Fette ist D. gut löslich. D. selbst ist ein Lsgm. z.B. für Alkaloide, Eisen(III)-chlorid, Fette, Harze, Iod, Öle, Phosphor, Schwefel usw. Mit vielen Substanzen bildet D. mehr od. weniger stabile Additionsverb., vgl. Ether, Etherate u. Oxonium-Salze. Durch Organometall-Verb. wie Alkyllithium-Verb. wird D. zersetzt . Im Laboratorium wird D. häufig zum Ausethern verwendet (s. Ausschütteln u. Extraktion), jedoch ist er bei großtechn. Verf. durch andere, weniger gefährliche Lsgm. verdrängt worden. Zur allg. Reaktionsweise vgl. Ether. Bei längerem Aufenthalt an Luft u. Licht autoxidiert D. allmählich zu schwerflüchtigen Peroxiden, die sich zu Acetaldehyd, Essigsäure, Estern usw. zersetzen; daher muß er in braunen Flaschen luftdicht verschlossen aufbewahrt werden. Bes. die Peroxid-Bldg. ist gefährlich, da beim Dest. von D. heftige Explosionen durch die therm. labilen Peroxide ausgelöst werden können. Daher u. wegen der leichten Entzündbarkeit darf D. nur auf dem Wasserbad erwärmt u. auch nur unter bes. Schutzvorkehrung (Abzug, Schutzschild, Panzerglasscheibe, Schutzbrille) destilliert werden. Vor der Dest. ist D. unbedingt auf Peroxide zu prüfen, z.B. mit Hilfe einer KI-Lsg. (untere Erfassungsgrenze: 0,001% Peroxid). Im Falle einer positiven Reaktion werden die Peroxide durch Zugabe von Eisen(II)-, Mangan(II)-Salzen od. Triphenylphosphin zerstört.
Physiolog.: D. ist seit 1846 als Inhalationsnarkotikum bekannt. Wenn die Atemluft ca. 4–5*Vol.-% D. enthält u. insgesamt beim Erwachsenen etwa 15g D. unter ärztlicher Kontrolle eingeatmet werden, tritt schließlich tiefe Narkose ein. Während der Narkose wird ein Teil des ZNS vorübergehend gelähmt u. Bewußtsein u. Schmerzempfindung schwinden. Dagegen werden Atmung u. Blutkreislauf bei vorschriftsmäßiger Narkotisierung nicht wesentlich gehemmt. Der eingeatmete D. dringt infolge seiner Lipoid-Löslichkeit in die lipoidreichen Nervenzellen ein u. ruft dort Narkose hervor. Etwa 20*Min. nach Schluß der D.-Einatmung sind schon wieder 80% des aufgenommenen D. ausgeatmet. Allerdings wird D. heute wegen der langen Abklingzeit u. der unangenehmen Nachwirkungen (Erbrechen, Unruhe etc.) nicht mehr als Mono-Narkotikum angewandt, sondern in Kombination mit anderen Präp., wodurch die Dosierung herabgesetzt werden kann; MAK 1200*mg/m3 bzw. 400*ppm; WGK1.
Herst.: D. wird heute in Ländern mit synthetischer Ethanol-Herstellung in solchen Mengen als Nebenprodukt erzeugt, daß sich die Synthese erübrigt. D. kann synthetisiert werden durch Erhitzen von Ethanol mit konz. Schwefelsäure; da die Schwefelsäure wiedergewonnen wird, kann das Verf. kontinuierlich betrieben werden. D. heißt fälschlicherweise auch Schwefelether, weil bei seiner Herst. Schwefelsäure benötigt wird u. der rohe D. meist mit etwas Schwefeldioxid verunreinigt ist, das man früher für den eigentlichen Ether-Bestandteil hielt. Die Dehydratisierung von Ethanol zu D. kann auch am Aluminiumoxid-Kontakt bei etwa 300° durchgeführt werden. Letzteres Verf. ist zwar technologisch einfacher, liefert aber eine geringere Ausbeute als das Schwefelsäure-Verf. Wasserspuren (zur Herst. von abs. D.) kann man durch Dest. über Natrium-Draht entfernen; Na bindet das Wasser unter Bldg. von NaOH. D. ist wasserhaltig, wenn beim Umschütteln mit der gleichen Menge Schwefelkohlenstoff eine Trübung (Emulsion von Wasser in Schwefelkohlenstoff) entsteht.
Verw.: Als „Ether für Narkose“ , als Hausmittel gegen Ohnmachten, Mattigkeit usw. in Form von Hoffmannstropfen (Spiritus aethereus, eine Mischung aus 3*Tl. Alkohol u. 1*Tl. D.), von denen 20–40 Tropfen auf einmal getrunken werden. Da D. ein gutes Lösungsmittel für viele Öle, Fette, Harze, Alkaloide, Riechstoffe u. Farben ist, findet er ausgedehnte Verwendung zum Lösen u. Extrahieren. Im Gemisch mit Ethanol dient er zum Gelatinieren von Nitrocellulose u. zum Lösen von Collodiumwolle. Wegen der chem. Beständigkeit des D., wegen seines niedrigen Sdp. und wegen der Lösl. von metallorganischen Verb. (Grignard-Reagenzien) findet er im Labor u. Betrieb Verw. als Reaktionsmedium.
Geschichtl.: Die Entdeckung des D. wird (vgl. Lit. ) fälschlicherweise Valerus Cordus (1540) zugeschrieben; tatsächlich wurde D. erstmals 1730 von Froben in den „Philosophical Transactions“ (London) beschrieben. 1821 analysierte Avogadro den D., Alkohol u. verwandte Stoffe, 1842 stellte Gerhardt die richtige Formel auf.
Lit.: 1*Angew. Chem. 85, 90–92 (1973). 2*DAB 7, 292–294. 3*Mutschler, Arzneimittelwirkungen, S.*220, 731, Stuttgart: Wiss. Verlagsges. 1986. 4*Dtsch. Apoth.-Ztg. 1954, 921.
allg.: Beilstein EIV 1, 1314–1322 ï Brauer, Gefahrstoff-Sensorik, Landsberg: Ecomed Verlagsges. 1988 ï Braun-Dönhardt, S.*31 ï Giftliste ï Hommel Nr.*9 ï Kirk-Othmer 2, 396; 8, 477–486; (3.) 2, 688; 9, 387–391 ï Moeschlin, Klinik u. Therapie der Vergiftungen, S.*337, Stuttgart: Thieme Verl. 1986 ï Snell-Hilton 5, 361f. ï Ullmann 5, 777ff.; (4.) 8, 148f.; 6, 716; 16, 302 ï s.a. Ether.
Quelle: CD Römpp Chemie Lexikon – Version 1.0, Stuttgart/New York: Georg Thieme Verlag 1995
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